Vergebens sucht er ihn mit trügerischen Gründen, Und manchem kühnen Schluß aus seiner Brust zu win:
Kein Bildniß von Porphyr troht mehr dem Zahn der
Kein Eichbaum steht so fest, und lacht des Nordwinds
Als von ihm selbst geprägt, des Schöpfers Eigenschaf
Und sein ursprünglich Bild in unsrer Seele haften. Bergebens sprichst du hier, der du uns tadeln willt, Die Dichtungskraft allein entwerfe dieses Bild, Und wisse aus dem Stoff von allen Trefflichkeiten Die fie in Eines häuft gar leicht das zu bereiten, Was, nach der Weisen Lehr', aus höhrer Wirkung fließt,
Und von des Schöpfers Hand ein ewig Denkmal ist. Erforsche nur die Art der flüchtigen Ideen, Die durch die muntre Kunst der Phantasie entstehen; Ein einzig Beispiel macht den Unterschied uns klar. *) Ertraum ein Hirngespinst, wie etwan jenes war Das uns Horaz gemahlt; das Haupt gleich einem Weibe,
Es reize Aug und Mund; am schuppenvollen Leibe
ten der atheistischen Meinungen seines Meisters verdäch tig gemacht; und überhaupt unter die zahlreichen italia- nischen Gelehrten seiner Zeit gehört, die sich einbildeten, daß ein Philosoph keine Religion haben müsse.
*) Der Verfaffer merkte, wie es scheint, schon damals, daß unter den innern Sinnen unfrer Seele, wovon unfre meisten Metaphysiker eine sehr unbestimmte Kennt niß haben, ein Senfus Dei sei; ob er gleich nach seinen damaligen Begriffen nicht viel besser davon redet, als wie der Blinde von der Farbe, die Wolfianer von Empfindungen, und die Jesuiten von der reinen Liebe.
Wieland., Schlag ein Delphinen Schwanz; mit Federn ausges schmückt
Sei noch ein Pferdehals den Schultern angeflickt; Dieß Werk der Phantasie wen hat es je gerühret, Und durch geheimen Zwang zum Glauben überführet? Dieß thut mit stiller Kraft das angeborne Bild, Das der vollkommné Geist in unsre Brust gehüllt. Uns treibt ein süßer Zug, so bald wir nur empfinden; Mit innerm Widersöruch hat Strato es verlacht, Ihm zeigt sein eignes Herz die Spur der höchsten Macht.
Nie drückt ein bloßes Spiel der Mütter der Erfindung Sich so in unser Herz; die neigende Empfindung, Die úns dabei bewegt, und herrschend mit sich führt, Ruft mit geheimen Ton: Ein Gött ist der mich rührt.
Ein Gott ist es, durch den ich aus dem Nichts ges drungen:
So ruft die frohe Welt mir Millionen Zungen, So stimmt in meiner Brust dem jauchzenden Geschrei Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bei. Du bist, Unendlicher, den keine Größe misset, Meer von Bollkommenheit, das ewig überfließet, Aus dem ein steter Strom geschaffne Wesen trånkt, Und sich doch unverzehrt in dich zurücke senkt. Du bist des Guten Quell, die endlichen Gemüther Flieht deine Seligkeit, o Ursprung aller Güter; Nein, kein umgränzter Geist faßt die vollkommne Lust, In deren Fülle du die Ewigkeit durchruhst.
Kein fremdes Wesen kann die rèine Wonne mehren, Die du aus dir nur schöpfft, du kannst die Welt entbeh ren;
lehre selber mich, mein Ohr ist dir geweiht, Den schöpferischen Grund von unserer Wirklichkeit.
(Bon seiner schönen Umschreibung der pythagorischen Sprüche steht schon oben eine Probe. Außerdem gehört die Jehrreiche Folge morgenländischer Erzählungen und Sittengemåhlde hieher, die von diesem so ehrwürdigen Dichter im Jahr 1775 unter dem Titel: halladat, oder das rothè Buch, zum Vorlesen in Schulen, in zwei Theilen, hers auskam, wozu er einige Jahre darauf noch einen dritten Theil lieferte. Sinn und Vortrag empfehlen sich durch Würde, Scharffinn und Simplicit&t. Folgenden zwei Proben daraus habe ich einige seiner eignen Denksprüche aus dem oben erwåhnten einzelnen Abdrucke der Goldnen Sprüche des Pythagoras beigefügt.)
Die häuslichen Freuden.
Ein weiser Mann (still heitere Vernunft In seinem niedersehenden Gesicht Bestårkte jeden, der ihn sah, er sei Ein weiser Mann) mit Nahmen Ebarit Abuladott, der seinen Bater noch Und seine Mutter, hohen Alters, noch Am Leben hatte, sah sein månnlich Bild Im Bach Aranda, den die Heiligen Der großen Wüsteneien trinken, sah's, und fand ihm plößlich, plößlich Aehnlichkeit Mit seinem alten Vater. Bater, sieh, Rief er, ich werde stolz, ich gleiche dir! Und da, da trat der alte Bater hin Zu seinem Sohn, faßt ihn an seine Hand, Und hückte sich, und sah sein graues Haar, Und seines Sohns noch schwarze Locken, und Indem sie beide sich besahen, kam
Auch noch die alte Mutter; Bater, Sohn Und Mutter, alle dreie standen nun
Am hellen Bach, und sahn sich drinn, und dànn. War unter ihnen eine Freude, wie
Gleim. Die Freuden guter Geister! Vater, Sohn Und Mutter weinten, drückten, küßten sich Und rühmten ihrer Leben Seligkeit. Der Vater: daß er ein so gutes Weib Gefunden hatte, willig ihm die Last Des Erdenlebens zu erleichtern, ihm Zufriedenheit ins Herz zu lächeln, und In seinem Månnerernst zu måßigen; Die Mutter: daß der bèste Mann ihr Loo$ Geworden sei; der Sohn: daß er so sehr Dem Vater ähnlich sehe! Dieses war Ihr herzliches Gespräch. Dann aber gieng (und Sohn und Mutter giengen hinter her) Der Vater, in den Augen Fröhlichkeit, Den Berg hinunter, stand dann, sah sich um, und endlich saß er nieder, wie vertieft, In die Gedanken des Gesprächs, und sah Den Sohn und seine Mutter, die vertraut In zärtlicher Umarmung giengen, noch Sich unterreden. Mutter, sprach der Sohn, Ich kenne meinen theuren Vater; Gott! Wenn ich in allen seinen Tugenden Ihm åhnlich wåre; welch ein Herz er hat! Welch einen Geist! Als ihn Bedulamoth, Der böse Mann, verfolgte, seinen Feind In seinem ganzen Leben sich bewies, Mit welcher weisen Unterwürfigkeit In seines Gottes Willen hat er es Ertragen! Hat er seines Lebens Feind Noch endlich überwunden! Gott, wie schön War diese That! Mit seines Lebens Feind Sich auszusöhnen gieng er heimlich hin Zu seinem leßten Krankenlager, fand
Ihn blaß und sterbend! Bruder, sprach sein Feind, Ich kann nicht sterben! deine Hand! und da, Da bückte sich mein theurer Vater, nahm Die Hand des Sterbenden, und drückte sie, Wie seines besten Freundes Hand! und sprach Den Segen Gottes über ihn! und, ach! In diesem stillen ernsten Augenblick,
In dem der Sterbende, getröstet nun,
In seine bessre Welt hinüber gieng,
Ich fanns euch nicht beschreiben, Mutter, wie Das Auge meines theuren Vaters da So heiter war! Er sah mich an, ich stand Nicht weit von ihm, es war ein Sonnenblick In meine Seele; Gott, wie lieb' ich ihn!
Die Mutter aber floß in Thrånen; Sohn, Sprach sie, in deinem: Gott, wie lieb' ich ihn! Erkenn' ich meinen Ebarit; und gab Ihm einen Kuß; so mütterlich, wie sie Noch keinen ihm gegeben hatte. Nu! Was ists? rief da von seinem Rasensit Der alte Vater, und stand auf und gieng Der Mutter und dem Sohn entgegen, gieng Mit munterm Schritt, und fragte: Was es sei? Und als die Mutter gern es sagre, da, Da gab der Vater seinem guten Sohn Auch einen Kuß. Welch' eine Seligkeit, Ein Vater sein, wie dieser Vater, und Ein Sohn, wie dieser Sohn, und so geliebt Von seiner Mutter! Welche Seligkeit Auch auf der Erde, wenn die Menschen sich Einander lieben, wenn die Eltern und Die Kinder sich einander lieben! Ha! Wie schön, wie schön in meines Gottes Welt! Mein Vater, meine Mutter sind darin! Und du mein Bruder, du, mein Ebarit Abuladott! Ich flieg' in seinen Arm, Er ist mein Bruder! Gott, wie lieb' ich ihn.
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