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Sie wacht für unser Heil, sie lindert unsern Kummer, von Haller.
Versöhnt uns mit uns selbst, und start des Trågen
Schlummer;

Sie zeiget uns, wie heut für Morgen sorgen wuß
und speiset ferne Noth mit altem Ueberfluß;

Sie dampft des Kühnen Wuth, sie waffnet die Verzags

ten;

Sie macht das Leben werth im Auge der Geplagten;
Sie sucht im rauhen Feld des Hungers Gegengift;
Sie kleidet Nackende vom Raub der fetten Trift;
Sie bahnete das Meer zur Beihülf unsers Reisens,
Sie fand den ersten Brand im Zweikampf Stein und
Eisens;

Sie grub ein Erz hervor, das alle Thiere zwung,
Sie kocht aus einem Kraut der Schmerzen Leichterung;
Sie spähte der Natur verborgne Eigenschaften;
Sie waffnere den Sinn mit Kunst und Wissenschaften.
O! daß sie doch so oft, vor zartem Eifer blind,
In eingebildtem Glück ein wirklich Elend findt!

Biel edler ist der Trieb, der uns für andre rühret; Vom Himmel kömmt sein Brand, der keinen Rauch ges bieret;

Von seinem Ebenbild, das Gott den Menschen gab,
Drückt deutlicher kein Zug sein hohes Urbild ab.
Sie, diese Liebe, war des Menschen erste Kette,
Sie macht uns bürgerlich, und sammlet uns in Städte,
Sie dffnet unser Herz beim Anblick fremder Noth,
Sie theilt mit Dürftigen ein gern gemißtes Brod,
Und wirkt in uns die Luft von Titus oft verlanget,
Wann ein verwandt Geschöpf von uns sein Glück ema
pfanget

Die Freundschaft stammt von ihr, der Herzen süße Koft,
Die Gott in so viel Noth uns gab zum lehten Trost;
Sie steckt die Fackeln an, bei deren holden Scheinen
Zu beider Seligkeit, zwei Seelen sich vereinen,
Das innige Gefühl, des Herzens erste Schuld
Ist ein besondrer Zug der allgemeinen Huld,
Sie ist, was tief in uns für unsere Kinder lodert,
Sie macht die Müh zur Lust, die ihre Schwachheit fas

dert

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1

von Haller., Sie ist des Blutes Nuf, der für die Kleinen fleht,
Und unser Innerstes, so bald er spricht, umdreht.
Ja, auch dem Himmel zu gehn ihre reine Flammen,
Sie leitet uns zu Gott, aus dessen Hand fie stammen.
Ihr Trieb zieht ewiglich, dem Liebenswürd❜gen zu
Und findt erst im Besiß des höchsten Gutes Ruh.

Noch weiter wollte Gott, für unsere Schwachheit
sorgen:

Ein wachsames Gefühl liegt in uns selbst verborgen,
Das nie dem Uebel schweigt, und immer leicht versehrt,
Zur Rache seiner Noth den ganzen Leib empört,
Sm zärtlichen Gebau von wunderkleinen Schläuchen,
Die jedem Theil von uns die Kraft und Nahrung reis
chen,

Brach' alles Uebermaß den schwachen Faden ab,
Und die Gesundheit selbst führt unvermerkt ins Grab.
Allein im weichen Mark der zarten Lebenssehnen
Wohnt ein geheimer Reiz, der zwar ein Brunn der
Thränen,

Doch auch des Lebens ist, der wider einen Feind,
Der sonst wohl unerkannt uns auszuhdlen meint,
Uns zwingt zum Widerstand, er schließt die regen Nere

ven

Vor Frost und Salze zu, verfldßet alle Schärfen
Durch Zuflucht füßes Safts, und kühlt gesalznes Blut
Durch Zwang vom heißen Durst, mit Strömen dünner
Fluth;

In allen Arten Noth, die unsere Glieder fäuler,
Ift Schmerz der bittre Trank, womit Natur uns heilet.

Weit nöthiger liegt noch im Innersten von uns
Der Werke Richterin, der Probstein unsers Thuns.
Vom Himmel stammt ihr Recht; er hat in dem Ge
wissen

Die Pflichten der Natur den Menschen vorgerissen.
Er grub mit Flammenschrift in uns des Lasters Scheu,
Und ihren Nachgeschmack, die bittre Kost der Reu!
Ein Geist wo Sünde herrscht, ist ewig ohne Frieden,
Sie macht uns selbst zur Höll,' und wird doch nicht ge
mieden.

Ber:

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Versehn zu Sturm und See, in Allem wohl bestellt
Betraten wir nunmehr das wette Meer der Welt;
Die Werkzeug unsers Glücks sind allen gleich gemessen
Jedweder hat sein Pfund, und Niemand ist vergessen:
Zwar in der Seele selbst herrscht Maaß und Unterscheid;
Das Glück der Sterblichen will die Bescheidenheit;
Die Ordnung der Natur zeugt minder Gold als Eisen;
Der Staaten schlechtester ist der von eitel Weisen.
Jeht findet jede Pflicht ihr eigen Maaß Verstand;
Der eingetheilte Wiß wird ganz zum Nuß verwandt:
Dort wirkt ein hoher Getst, betrogen vom Geschicke,
Nur um sich selbst besorgt, an seines Landes Glücke!
Wann hier ein niederer Sinn, mit Schweiß und Brod
vergnügt,

Des Großen Unterhalt im heißen Feld' erpflügt;
Hier sucht ein weiser Mann, bei Nacht und stillem Dele,
Dee Körpers innere Kraft, das Wesen seiner Seele;
Wenn dort mit schwächerm Licht, gleich nüßlich in der

That,

Ein Weib sein Haus beherrscht, und Kinder zieht dem
Staat,

Doch nur im Zierrath herrscht der Unterschied der Gas
ben;

Was Jedem nöthig ist, muß auch ein Jeder haben,
Kein Mensch verwildert so, dem eingebornes Licht
Nicht, wann er sich vergeht, sein erstes Urtheil spricht.
Die Kraft von Blut und Recht erkennen die Huronen,
Die dort an Mitschigans beschneitem 11fer wohnen;
Und unterm braunen Süd fühlt auch der Hottentot
Die allgemeine Pflicht, und der Natur Gebot.

von Haller..

1

Hagedorn

von

Hagedorn.

(Oben, bei der Satire, ist schon seiner moralischen Gedichte erwähnt worden; die zwar nicht ganz so stark und gedankenschwer, wie die Hallerischen sind; aber immer doch treffliche Arbeiten eines philosophischen Kopfes, von edelm und sorgfältig gefeiltem Ausdruck. Folgendes, hier ganz eingerückte, Gedicht ist darunter das erste und schönste, und wurde schon im J. 1745 zuerst einzeln gedruckt.)

Aus dem Gedichte: Die Glückseligkeit.

O wie beglückt ist der, auf dessen reine Schäße
Nicht Fluch noch Schande fällt, noch Vorwurf der He
Tebe,

Der aus dem Ueberfluß, den er mit Recht besißt,
Der Armen Blöße deckt, und ihre Häuser stüßt,
Die Künstler kennt und hegt, mit seinem Beistand ei

let,

Und mit gewohnter Hand des Kummers Wunden heis
let!

Vor ihm verlieren sich die Zähren banger Noth.
Die Milde seiner Huld entfernt der Greisen Töd,
Zieht ihre Kinder auf, die Våter zu verpflegen,
Und wird ein Gegenstand von ihrem leßten Segen.
Die Luft an aller Wohl beseelet, was er thut.
Es ist sein Eigenthum ein allgemeines Gut.
Es überfließt sein Herz, der innre Freund der Armên;
Von reger Zärtlichkeit, von göttlichem Erbarmen.

Já! Titus irrte nicht: Der Tag ist zu bereun,
An welchem wir durch nichts ein leidend Herz èrfreun:
Als Bürger einer Welt sind wir dazu verbunden;
Verloren ist der Tag, und schändlich sind die Stunden,
Die, wann wir fähig sind, Bedrängten beizustehn,
Beim Anblick ihres Harms uns unempfindlich sehn;

ann

"

Wann Mitleid, Lieb und Huld mit Seufzern sich ver: y. Hagedorn.

schleichen,

In enge Winkel fliehn, und dir, àn Falschheit, glei: chen,

Du Rath der Heiligen, die stolze Demuth krümmt! Zunft! die den Brüdern schenkt, was sie den Menschen nimmt:

Die mit der frommen Hand, die sich zur Andacht fals
tet,

Nach ihrem innern Licht das Zeitliche verwaltet,
Die Jünger feister macht, sonst alle von sich stößt,
Die Nackenden bekleidt, Bekleidete entblößt,
Nur philadelphisch liebt, in allem, was geschiehet,
So schlau, als Saint Cyran, *) den Finger Gottes fies
het,

Sich für sein Hauflein schäßt, und falscher Bilder volk,
Die Welt ein Babel nennt, dem man nichts opfern

foll.

Der Allmacht mildre Gunst zeigt sich in jedem

Falle;

Nichts schränkt ihr Wohlthun ein; ihr Segen strömt auf

alle.

Der, dessen kleines Herz, nach klügelndem Bedacht, Das Brod, das er verschenkt, recht schwer und steinern macht,

Gleicht Neidern fremden Glücks, die selbst kein Glück verdienen,

Verläugnen der Natur und hündischen Gryphinen.

Die Baarschaft, die zu sehr an kargen Fåusten
flebt,

Mur ihrem Hüter lacht, der stets nach mehrerm strebt;

Dir

*) Der Abt vòn St. Cyran ißt aus dem Bayle und dèn
Geschichten der neuen Meinungen, Andachten, Wun:
der und Erscheinungen bekannt, welche in dem vorigën
Jahrhundert die Einsiedler des Klosters Port-Royal ss
berühmt gemacht haben.

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