Lehrgedichte philofophi schen Inhalts. GnomischeTM Dichter der Griechett. Gnomishe In Griechenland war der Unterricht in Religion uns Eitten anfänglich ein Geschäfte der Dichter, die ihn entwes der in ihre Thesgonien, Kosmogonien und epische Gedichte verwebten, oder sich dessen Mittheilung in besondern Lehrs gedichten zum eigentlichen Endzweck machten. Diese Gés dichte bestanden aus einer Neihe einzelner Gnomen, d. i: Gittensprüche und Lebensregeln, auf eine ziemlich freie und willkührliche Art mit einander verbunten. Man muß daher keinen vorzüglich bearbeiteten Hauptgegenstand, keine einzels ne, vorzüglich ausgeführte, Hauptwahrheit in diesen Gedich ten suchen. Sie sind vielmehr das, was Gnomen eigentlich heissen, Winke und Fingerzeige, meistens Resultate der Lez bensbeobachtung und Erfahrung. Auch trägen sie oft ficht: bare Spuren einer erst aufkeinenden, noch sehr unvollkonis menen, praktischen Philosophie. Eben so wenig müß mah poetische Schönheiten in diesen Versen suchen, die bloß eine nügliche, auf Falle des Lebens anwendbare, Lehre durch die metrische Einkleidung tiefer ins Geddchtniß und Herz zu präs gen bestimmt waren. -- Uebrigens lese man über den Chas 2 2 rafter Dichter der Gnomische rakter dieser Dichterklasse die Vorrede des Hrn. Hofr. Herne zu der von Hrn. Glandorf und Fortlage herausgegebenen Dichter der Pythagoras Sammlung einiger Gnomologen. Pythagora s.. (Diesem berühmten griechischen Weltweisen legt man gewöhnlich ein Gedicht von der eben beschriebenen Art beif welches den Namen, goldne Sprüche, kan ta xevoй, führt. An dem hohen Alter dieses Gedichts läßt sich freilich wohl nicht zweifeln; desto mehr aber an der gewöhnlichen Angabe des Verfassfers, der Pythagoras felbft wohl gewiß nicht war, dessen wahrer Name indeß unbekannt ist. Hie rokles, ein platonischer Philosoph des fünften Jahrhunderts, schrieb einen Kommentar darüber, der viel scharfsinnige, aber auch manche gar zu svißfindige und gezwungne Erläu terungen enthält. Das Gedicht selbst empfiehlt sich durch einen großen Neichthum an ernsten, edeln Gedanken und trefflichen Vorschriften, und durch nachdruckvolle Kürze des Vortrages. Umständlicher sehe man darüber Hrn. Glans dorf's Abhandlung: de Carminis Aurei aetate, argumento, indole, dialecto; de Hierocle; aliisque de rebus, ad hoc caput pertinentibus, in der gedachten Sammlung, S. 59 ff. Unter mehrern französischen Uebersehungen dieser Sprüche ist die neueste von le Franc Marq. de Pompignan, im vierz ten Bande seiner Werke. Von der sehr glücklichen umschrei benden deutschen Uebersehung, die Hr. Gleim zuerst im Mai 1775 des Teutschen Merkur lieferte, und zu Halbers stadt 1786 für seine Freunde, mit einem Anhange eigner Sittensprüche, besonders abdrucken ließ, steht hier eine Probe unter folgenden zwanzig Anfangsversen dieses Gedichts:) Pythago ras. ̓Αθανάτης μὲν πρῶτα Θεός, νόμῳ ὡς διάκειται, Τίμα, και σέβου ὅρκον· ἔπειθ' Ήρωας αγανούς £3 " Die erste Pflicht sei dir, die Götter zu verehren, Die Helden, welche dich empor gehoben haben Den Geistern, die umher in allen Lüften schweben, Dein Vater liebte dich und deine Mutter? Lohne Mnd Lieb' alle Menschen, sei nicht Eines Lebens Feind! Wirf deinen scharfften Blick auf deines Freundes Thas Bu deinen Thaten laß des Freundes Weisheit rathen! pythagor Μηδ' ἔχθαιρε φίλον σὸν ἁμαρτάδος είνεκα μικρής, Verliere deinen Freund um keinen kleinen Zwift; Ganz in der Nähe wohnt Nothwendigkeit bei Macht; Des Zorus, der Schwelgerei, der Trägheit schẳme dich, In deinem Haus bei dir geheim, und öffentlich! Sieh deinen eignen Werth! Set deinen hohen Adel In Weisheit, und in Furcht vor deinem eignen Tadel! Nichts reden und nichts thun, als was gerecht ist, dag Sei dir Gewohnheit längst, und ohne Grund und Maaß Thu nichts! Thu aber bald! Das Erste, was wir wissen, Ift, daß wir Menschen sind, und alle sterben müssen; Χρήματα δ ̓ ἄλλοτε μὲν κτᾶπαι φιλε, ἄλλοτ ̓ ὀλέθαι D4 Daß unser Hab' und Gut in Gottes Händen steht, Die Götter geben dir, o Mensch, dein Menschenleben; Pythago ras. |