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Quartos und Folio von Richard III.

Die folgenden Blätter wenden sich an Leser, welche sich mit des Verfassers Aufsatz „Zur Tertkritik des König Lear" im letzten Jahrgange von Wälcker's Anglia bekannt gemacht haben, und in erster Stelle an solche, welche mit den dortigen Ausführungen einverstanden gewesen sind. Der Beweis, daß die Quartos aus Theater-Nachschriften und nicht aus unmittelbaren oder mittelbaren Abschriften des Original-Manuskripts hervorgegangen find, soll auch für Richard III. angetreten werden, im Wesentlichen mit denselben Gründen, wenn auch bei erheblich verschiedener Sachlage ihr Gewicht eine andere Verteilung erfährt, und auch die entschiedenste eigene Ueberzeugung kann doch nicht die Besorgnis fernhalten, daß nur der schon halb Gewonnene ganz zu gewinnen sein wird.

Die allgemeinen Vordersäße der Beweisführung, teils anerkannte Thatsachen, teils selbstverständliche Voraussetzungen, waren in Kürze folgende: Nicht der Dichter, sondern das Theater, an welches er sein Manuskript verkaufte, war der rechtmäßige Befizer desselben. Es lief dem materiellen Interesse beider zuwider, ein Drama durch den Druck zu veröffentlichen, so lange es volle Häuser machte. Die Vorrede der Folio bezeichnet die bisher erschienenen Einzelausgaben Shakespeare'scher Stücke, d. h. die Quartos als stolen and surreptitious copies. Auf welche Weise die Entwendung geschehen, sagt die Folio nicht, doch deuten die Quartos selbst darauf hin, indem sie sich nie auf original copies, wie die Folio, sondern stets auf öffentliche Aufführungen (As it was acted etc.) als ihre Quelle beziehen. Daß stenographische Nachschriften ein gebräuchliches Mittel waren, sich in Besiß von

Theaterstücken zu setzen und so die Bühne um ihr Monopol zu betrügen, wird zum Ueberfluß durch positive Zeugnisse von Zeitgenossen bestätigt; und in der That konnte es kein leichteres und wohlfeileres Mittel geben, wenn man es mit dem Tert nicht sehr genau nahm. Damit steht es im Einklange, daß die Shakespeare'schen Quartos bei den verschiedensten Verlegern erschienen, während ein berechtigter Herausgeber ohne Zweifel eine solide Geschäftsverbindung festgehalten hätte, nicht minder auch wenngleich nicht schwer in's Gewicht fallend daß sie durch weitschweifige und marktschreierische Titelangaben, die unmöglich aus dem Manuskript des Dichters herrühren konnten, die Stücke für die anzulockenden Käufer genau zu bezeichnen pflegten, während ihnen die Zueignungen fehlen, ohne welche damals wohl kaum eine legitime Publikation erschien.

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Der Titel der ersten Quarto von Richard III. lautet: The Tragedy of King Richard the Third. Containing his treacherous Plots against his brother Clarence: the pitiful murther of his innocent Nephews: his tyrannical Usurpation: with the whole course of his detested life and most deserved death. As it has been lately acted by the Right Honourable the Lord Chamberlain his servants. At London, Printed by Valentine Sims, for Andrew Wise, dwelling in Paul's Churchyard, at the sign of the Angel 1597.

Vor der Folio erschienen im ganzen sechs Auflagen, von der vierten ab bei einem neuen Verleger, Mathew Lawe. Die dritte führt auf dem Titel die dann auch von den folgenden abgedruckte Ankündigung: Newly augmented, was zwar nicht wörtlich zu nehmen, aber doch auch nicht ganz ohne Anhalt ist*). Im all

*) Die dritte Quarto bringt zuweilen, und zwar nicht blos in der ersten Scene des 3., und in der dritten des 5. Akts, von denen am Schluß die Rede sein wird, die Lesarten der Folio statt derjenigen der beiden ersten Quartos. 3. B. I, 2, 196 never man was true st. never was man true; 101 I grant ye st. I grant yea; 124 this open air st. the open air; I, 2, 236 withal st. at all; I, 3, 33 what likelihood ft. with likelihood; 216 and leave out thee? stay ft. leave out the stay; I, 4, 101 we st. I; II, 4, 1 heard st. hear; III, 2, 99 your Lordship please ft. it please your Lordship; III, 4, 6 Bishop als Rubrum ft. Rivers; III, 5, 108 no manner person st. no manner of person; III, 7, 20 my st. mine; 125 his st. her; IV, 3, 5 ruthful st. ruthless; 25 gave st. give; und Anderes was noch weiter unten zur Sprache kommen muß.

gemeinen allerdings ist jede Quarto, und die dritte so gut wie die andern ein bloßer Abdruck der nächstvorhergehenden, deren Lücken und Interpolationen keine Ergänzung und Berichtigung erfahren, und deren Versehen und Druckfehler höchstens durch neue vermehrt werden, so daß im ganzen, wie bei Lear, der Quartotert als ein einheitlicher dem der Folio gegenübersteht.

Die Ansichten über das Verhältnis der beiden Tertformen mußten bei Richard III. in um so schärferen Gegensatz treten, als die erste Redaktion der Quartos eine nicht gemeine Sorgfalt und Sachkenntnis verrät. Man sucht hier vergebens nach den lächerlichen Mißverständnissen, welche die ersten Ausgaben von Hamlet, von Heinrich V. und VI. und andern Stücken entstellen und selbst bei Lear zuerst den Verdacht der Fälschung erweckten; nur hin und wieder macht es sich leise merklich, daß das Ohr und nicht das Auge die erste Arbeit besorgte, wie wenn Anna I, 2, 1 set down your honourable lord sagt statt honourable load, die Königin II, 4, 52 den Thron lawless nennt statt aweless, aus einem stab III, 2, 89 ein scab wird, aus like to children IV, 3, 8 like two children und Aehnliches *). Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß die Quartos nicht weniger correkt gedruckt und lesbar find als die Folio, und daß meist erst der Vergleich mit der lezteren ihre Fehler zum Bewußtsein bringt. Ueberdies fällt nur ein Bruchteil ihrer Varianten unter diesen Begriff. Die meisten sind. der Art, daß von einer kritischen Entscheidung a priori nicht die Rede sein kann, da die beiderseitigen Lesarten völlig gleich= wertig erscheinen. So gleich in der ersten Scene:

Vers 26 Folio to see my shadow, Quartos to spy my shadow.
V. 50 Folio you should be, Quartos you shall be.
2. 52 Folio but I protest, Quartos for I protest.

Den Ursprung der Quartos aus Nachschriften als bewiesen vorausgesetzt, fand also vor Besorgung der dritten eine Correktur der nächstälteren bei Gelegenheit einer Aufführung statt, natürlich nicht weiter, als auf diesem Wege eine Correktur möglich war; und daher wohl die vielversprechende Anzeige: Newly augmented.

*) Schreibungen wie pact und past für paced (I, 4, 16), raste für rased (III, 2, 11), grast für graced (IV, 4, 383) könnte man wohl gar in das Gebiet orthographischer Feinheiten ziehen, seitdem englische Gelehrte etwas darin suchen, advanct, forct und Aehnliches für advanced 2c. zu schreiben.

V. 83 Folio our monarchy, Quartos this monarchy.

2. 100 Folio were best to do it, Quartos were best he do it.

V. 124 Folio this open air, Quartos the open air.

V. 133 Folio play at liberty, Quartos prey at liberty.
2. 138 Folio this news, Quartos that news.

Um ein paar Stellen aus der Mitte herauszugreifen, würde es so gut wie unmöglich sein, bei folgenden Varianten von vornherein der einen oder der andern den Vorzug zu geben: IV, 1, 51 Folio.

You shall have letters from me to my son
In your behalf, to meet you on the way.
Quartos.

You shall have letters from me to my son,
To meet you on the way and welcome you.
IV, 3, 30 Folio. The chaplain of the Tower hath buried them,
But where, to say the truth, I do not know.
Quartos. The chaplain of the Tower hath buried them,
But how and in what place, I do not know.

IV, 4, 93 Folio.

Where be thy two sons? Wherein dost thou joy? Who sues, and kneels and says: God save the queen? Quartos. Where are thy children? Wherein dost thou joy? Who sues to thee and cries: God save the queen? In gewissen Kleinigkeiten, bei denen kaum etwas andres bestimmend sein konnte als die persönliche Gewöhnung, kehren dieselben Abweichungen fast regelmäßig wieder: yea für ay, Oh für Ah, which für that, whilst für while, betwixt für between, slay für kill, of it für there of etc.

Ehemals neigte man ziemlich allgemein zu der Ansicht, daß Shakespeare selbst in späteren Jahren sein Stück revidiert und in der obigen Weise durchcorrigiert habe. Delius hat dieser Vorstellung mit schlagenden Gründen ein Ende gemacht, und es lohnt kaum noch der Mühe, sich auf das Zeugnis der Folio-Herausgeber zu berufen, wonach in des Dichters Papieren kein ausgestrichenes Wort zu finden war. Ohne Zweifel ist Shakespeare, wenn er in der Zeit seiner höchsten Entwickelung die Arbeiten seiner Jugend wieder zur Hand nahm, mit Manchem darin sehr unzufrieden ge

wesen, und wenn er es unternommen hätte, an ihnen zu bessern und zu feilen, würde sicherlich Vieles eine andere Gestalt bekommen haben. Die operettenartigen Wechselflagen nach dem Tode des Königs in Richard III. (II, 2), Concetti wie Dead life, blind sight, poor mortal living ghost (IV, 4, 26) epigrammatische Spitzfindigkeiten, mit denen er in seiner Jugend dem Zeitgeschmack huldigte, würden schwerlich vor ihm Gnade gefunden haben, als er es gelernt hatte, die reinen Laute natürlicher Empfindung voll und kräftig anzuschlagen. Vielleicht gar hätte er für den ganzen Geschichtsverlauf in Richard III. einen andern Standpunkt gefunden als den von Holinshed vorgezeichneten, und damit dem Stoffe ein tieferes, menschlicheres und für tragische Behandlung noch wirksameres Interesse abgewonnen mußte dergleichen sich nicht

bei einer Revision des Stücks selbst wider seinen Willen geltend machen? Es mag müßig erscheinen, dergleichen Möglichkeiten sich auszumalen, aber sie drängen sich von selbst auf, wenn von einer Bearbeitung eines Werks durch den Verfasser die Rede ist. Unmöglich ist jedenfalls dies eine: daß Shakespeare seinen Richard einer Revision unterzogen haben soll, um Alles, was ihm innerlich entfremdet war, unangetastet zu lassen, statt dessen aber between für betwixt, ay für yea, our monarchy für this monarchy zu sehen, und in jeder fünften Zeile bei vollständiger Beibchaltung des Sinnes die gleichgültigsten Aenderungen in Worten und Wendungen anzubringen. Das einzige, was er damit erreichen fonnte, war, wie Delius richtig bemerkt, eine nicht blos zwecklose, sondern höchst bedenkliche Behelligung und Verwirrung der Schauspieler.

Die Cambridger Herausgeber haben sich noch nicht dazu entschließen können, den Gedanken an eine revidierende Thätigkeit des Dichters ganz aufzugeben. Für alle Fälle haben sie sich freilich einen ehrenvollen Rückzug offen gehalten. Nach ihnen stammen die Quartos indirect aus der ersten Handschrift des Dichters her, die Folios ebenso indirect aus einer zweiten, vom Dichter mit mit Korrekturen und Zusätzen versehenen Handschrift. Zwischen der ursprünglichen Handschrift Shakespeare's und den Quartos, und ebenso zwischen seiner revidierten Handschrift und den Folios stehen ihnen aber gewisse dunkle Mittelspersonen, die mit dem Tert des Dichters nach eigenem Ermessen schalteten. Die Kunst

Ges. Abh. v. Dr. Aler. Schmidt.

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