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den Kerrs und Douglas die wildesten gewesen unter den Stämmen des Borders oder des Grenzlandes zwischen England und Schott= land, wo bis ins 16. Jahrhundert das Faustrecht in vollster Blüte stand; ihre Geschichte, eine eintönige Stegreif-Chronik, war ihm das anziehendste Studium und belebte sich vor seinem Dichterauge; er wußte seinen Schulkameraden daraus Dinge zu erzählen, daß sie, wie einer sagt, die Nacht nicht schlafen konnten; scherzte niemand heiterer als er über den Clans- und Ahnenstolz seiner Landsleute, so wollte er doch nicht besser sein als sie; er durfte ja wohl auch mit seinen Vorfahren prahlen,

Denn Hochverrat und Mord und Tod

War ihnen nur wie Butterbrod;

dem Sprossen eines solchen Stamms durfte man es nicht verargen, wenn er sich manchmal etwas barsch und eigenwillig zeigte, denn alle Scott's waren nach urkundlichen Zeugnissen höchst halsstarriger Natur gewesen, und wenn er in Leben und Lied an nichts solche Freude fand als an

Schwertgeflirr und Lanzensplittern,
Riesen, Drachen, Feen und Rittern.

Jeder Scott hatte ein Recht an ihn; zur Einweihung von Abbotsford war Alles, was den Namen trug, eingeladen, vom Herzog von Buccleugh herab bis zum Bauer, tranf nach alter Sitte mit einander Whiskypunsch und tanzte nach dem Dudelsack; und ähnlich bei andern Gelegenheiten. Seine erste große litterarische Arbeit, die Sammlung der Volkslieder des Grenzlandes (Border Minstrelsy), nicht minder der lezte Minstrel verdankten geradezu diesem Stammgefühl ihre Entstehung; in dem ersteren Werke spielt das Bordergeschlecht Scott eine hervorragende, im letztern die Hauptrolle, und den Lesern des Minstrel wird das schaurige Halbdunkel um das Grab des Zauberers Michael Scott in der Abtei Metrose als ein Beispiel gegenwärtig sein, mit welchem eigentümlichen, echt romantischen Reiz der Dichter das Andenken seiner Ahnen zu umgeben wußte.

Und wie diese Anhänglichkeit an seinen Clan war seine Vaterlandsliebe im weiteren Sinn. Charakteristisch für dieselbe ist die Erzählung Washington Jrvings von einem Spaziergange,

den er mit Scott auf die Höhen bei Abbotsford machte. „Hier habe ich euch, sagte der lettere, gleich Bunyans Pilger zum Gipfel der Berge des Entzückens gebracht und kann euch alle schönen Punkte zeigen. Das dort ist Lammermoor und Smallholm, hier habt ihr Galashiels, Torwoodlee und Gala Water; in jener Richtung seht ihr das Teviot-Thal und die Uferbänke des Harrow, dort den Ettrick wie einen Silberfaden, bis er sich in den Tweed ergießt." Er fuhr fort, altberühmte Namen zu nennen, welche meistens durch seine eigne Feder ein romantisches Interesse erhalten hatten. „Ich blickte, erzählt Frving, eine Zeitlang mit stummer Verwunderung, um nicht zu sagen mit Enttäuschung, um mich. Ich sah eine Reihe von grauen wellenförmigen Hügeln, so weit das Auge reichte, eintönig in ihrem Anblick, und so baumlos, daß man gegen den Horizont eine dicke Fliege auf ihrem Rücken hätte wahrnehmen können, und der weltberühmte Tweed schien mir ein kahler Strom zwischen nackten Hügeln ohne Baum und Busch; und dennoch so seltsam wirkte das über das Ganze ausgebreitete magische Gewebe der Poesie, daß es für mich einen größern Reiz hatte als die reichste Landschaft Englands. Ich konnte nicht umhin, meine Gedanken lautbar werden zu lassen. Scott summte einen Augenblick ernst vor sich hin; das Kompliment, welches seine Muse auf Kosten seines Vaterlandes erhielt, verstimmte ihn sichtlich. Es mag Eigensinn sein, sagte er endlich, aber für mich haben diese grauen Hügel und diese ganze wilde Grenzlandschaft eigentümliche Reize. Ich liebe eben die Nacktheit des Landes, sie hat etwas Kühnes, Strenges, Schweigjames. Wenn ich eine Zeitlang in der schönen gartenähnlichen Umgegend Edinburgs gewesen bin, sehne ich mich bald nach meinen ehrlichen grauen Hügeln zurück, und könnte ich nicht wenigstens einmal im Jahr die Heide sehn bei diesen Worten stieß er vor innerer Bewegung den Stock heftig auf die Erde glaube, ich stürbe."

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ich

Scott liebte sein Schottland nicht wegen seiner landschaftlichen Schönheit, denn diese trug er hinein, wo sie fehlte; nicht wegen seiner glorreichen Geschichte, denn ihm verdankte es eigentlich erst seinen Ruf über Britannien hinaus; nicht weil es einen Montrose und Argyle, einen Hume, Smith und Burns hervorgebracht; sondern weil er nicht anders konnte; er liebte es,

wie es war, mit allen Eigenheiten und Schwächen des Volks, das er selbst wohl einmal im Unmut ungeschlacht, abgefeimt und trosköpfig nannte, mit seinen kahlen Berghaiden im Süden und seinen düstern Schluchten und Gebirgsseen im Norden, und aus seiner innersten Seele kamen die Worte des letzten Minstrel (6, 1, 2):

Wo ist der Mann, so kalt und leer,
Daß niemals bei sich selber er
Gedacht: Grüß Gott, mein Vaterland?
Dem's auf dem Herzen nicht gebrannt,
Wenn er von fernem fremdem Strand
Die Wanderschritte heimgewandt?
Giebt's einen solchen, laßt ihn ziehn;
Des Minstrels Preis ist nicht für ihn;
Ob hoch sein Rang und Name gleich,
Ob er an Schäßen überreich,

Ein Wicht bei Titeln, Geld und Macht,

Der auf sein Ich allein bedacht,
Soll ihm kein Kranz im Leben wehn,
Und doppelt sterbend soll er gehn
Zum schnöden Staub, dem er entsprang,
Ohn' Ehre, ohne Thrän und Sang.

düstres wildes Caledon,

So theuer jedem Dichtersohn,
Du Land der Berge und der Seen,
Der braunen Heid' und Waldeshöhn,
Land meiner Väter! welche Hand
Kann lösen je das Seelenband
Um mich und deinen rauhen Strand?
Zwar wenn ich komm an einen Ort,
Wie vieles Theure schwand mir fort!
Doch ewig, ob sonst nichts mir blieb,
Sind deine Ström' und Wälder lieb!
Wie trösten sie mit Freundeswort,
Dem jede Freude sonst verdorrt!
Laßt schweifen mich am Yarrow - Fluß,
Ob ich allein auch wandern muß,
Am Ettrick ziehn im Windeshauch,
Erstarrt die welke Wange auch,

Laßt ruhn mein Haupt am Teviotstein,
Sollt's auch
vergessen und allein

-

Mein letter, längster Schlummer sein!

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Bei dieser instinctiven Art von Patriotismus war es natürlich, daß Scott's Wißbegierde sich von Anfang an auf Heimatskunde im umfassendsten Sinne richtete. Er erregte früh durch seine Specialkenntnis der schottischen Geschichte und Altertümer Aufsehn; dem 15jährigen Knaben dankte einmal der Dichter Burns mit freundlichem, nie vergessenem Blick für historische Aufschlüffe, die fein Erwachsener ihm hatte geben können; die Studien der Jünglings- und Mannesjahre machten ihn auf jenem Gebiet zur ersten Autorität. Man kann wohl sagen, daß er Alles wußte, was dahineinschlug, die historischen und mythischen Beziehungen jeder irgend merkwürdigen Ruine, jedes Berges, jedes Flusses; die Geschichten, Sagen und Sitten jedes Clans, jeder Stadt, jeder Burg; die Genealogie jedes bedeutenderen Geschlechts, Alles war ihm bis ins Einzelnste und Kleinste gegenwärtig und geläufig, und wir würden reichlichen Anlaß haben, ihn deshalb zu bewundern, selbst wenn er uns nicht durch den freien Blick über die Geschichte im Ganzen und Großen, und die richtige Schäßung historischer Verhältnisse, welche er bei allen Mikrologien bewahrt, einen noch höheren Grad der Achtung abnötigte. Bei aller absichtlichen oder unabsichtlichen Aehnlichkeit mit seinem köstlichen Antiquar Oldbuck blieb er doch von Pedanterie, selbst von jedem gelehrten Anstrich weit entfernt und befolgte, wie er es ausdrückt, stets den Grundsay, sich möglichst vorn in der Marschlinie der Gesellschaft zu halten. Allerdings hatten auch seine wissenschaftlichen Beschäftigungen an sich etwas, das ihn frisch und geschmeidig erhielt. Gab es keinen besseren Kenner der gesamten schottischen Litteratur, und entging seinen Nachforschungen nicht leicht ein seltenes Manuscript oder eine merkwürdige Urkunde, so schöpfte er doch das Meiste aus lebendiger Anschauung und unmittelbarem Verkehr mit den verschiedensten Menschenklassen. Der fünf bis zehnjährige Knabe machte weite Ausflüge in die Umgegend, oft auf mehrere Tage, um merkwürdige Plätze aufzusuchen und an Ort und Stelle Alles zu sammeln, was über Thatsachen und Verhältnisse Aufschluß gab, Bilder der Localität, Pflanzen und Zweige von den Bäumen, die der Landschaft einen eigentümlichen Charakter gaben, Sagen, Lieder und Melodien, welche aus dem Munde der schlichtesten Leute zu vernehmen, er sich keine Ermüdung, keine anfängliche Unfreundlichkeit verdrießen ließ. Aus jener Zeit datiren die Anfänge seiner

Raritätensammlung, die er bis in sein Alter vermehrte; auf den Kunstwert oder die allgemeine Merkwürdigkeit kam es ihm dabei nie an, sondern nur auf bezügliche Bedeutung, wie es ihm denn überhaupt für die schönen Künste an dem reinen Formsinn fehlte und er sein Schloß Abbotsford durch persönliche patriotische und antiquarische Liebhabereien zu dem machte, was er selbst eine gothische Anomalie nennt. Den ersten Rang unter seinen Reliquien nimmt ohne Zweifel seine noch vorhandene handschriftliche Sammlung von Volksliedern ein, die er als Knabe schon in einer für alle Zwecke des Mannes brauchbaren Gestalt anlegte, und welche auf den ersten Blättern die unsichern Schriftzüge des 8jährigen Kindes, auf den lezten die zitternde Hand der begin= nenden Altersschwäche zeigt. Im Laufe der Zeit nahmen seine Wanderungen einen größeren Maßstab an, wobei ihm seine körperliche Rüftigkeit, die bei seiner Lahmheit und ursprünglichen Kränklichkeit ganz sein eignes Verdienst zu nennen ist, die trefflichsten Dienste leistete. In der Reihenfolge seiner ersten dichterischen Arbeiten spiegelte sich gewissermaßen die allmähliche Erweiterung seines historischen Gesichtskreises ab. Zuerst feierte er in einzelnen Balladen die Plätze seiner Kindheit; dann erschien zur Verherrlichung des Grenzlandes seine große Volksliedersammlung Minstrelsy of the Scottish Border und bald darauf das Lied des leßten Minstrel; hierauf Marmion, dessen Schauplaß sich über das ganze Tiefland ausdehnt; nach Marmion die Dame vom See, welche im Hochlande, am Loch Katrine, spielt; in Rokeby endlich tritt der Dichter bereits auf englischen Boden hinüber, um jedoch alsbald wieder in sein geliebtes Schottland zurückzukehren.

Bei der Ueberfülle des Stoffs habe ich es mir zur strengen Vorschrift machen müssen, alles Eingehen in einzelne Schriften Walter Scott's zu vermeiden. Doch kann ich nicht umhin, zu Gunsten der Border Minstrelsy mir eine Ausnahme zu erlauben, einmal weil wir durch sie am leichtesten einen Begriff von der Sorgfalt und dem guten Erfolge seiner Forschungen auf dem Gebiete der Volksdichtung erhalten, und weil außerdem dies Buch aus begreiflichen Gründen in Deutschland wenig bekannt ist, obgleich es an Wichtigkeit jedes andre einzelne Werk unsers Dichters weit übertrifft. Zwei Beispiele, eins der Vervollständigung und eins der Verbesserung, werden gewiß hinreichen,

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