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how chances mocks

And changes fill the cup of alteration.
With divers liquors!

Alle modernen Editoren, so viel ich weiß ohne Ausnahme, korrigieren:

how chances mock,

And changes fill etc.

Nun ist aber chances nicht der Nominativ Pluralis, sondern der angelsächsische Genitiv, den die alten Schriftsteller ohne Apostroph schreiben; die Herausgeber, welche ihn für das erstere hielten, haben durch ihre willkürliche Aenderung es unmöglich gemacht, auf das Richtige zu kommen. Aehnlich verhält es sich vielleicht mit Com. of Err. V, 69, wo die Folios schreiben:

The venom clamours of a jealous woman,

Poisons more deadly than a mad dog's tooth.

Das Komma hinter woman fann ich unmöglich für einen Druckfehler halten, da der Saß durchaus verständlich ist, wenn ich ihn als einen Aufruf und poisons als Apposition zu venom clamours nehme. Die neuen Herausgeber schreiben nun aber, wie es scheint, ohne Ausnahme:

The venom clamours of a jealous woman

Poison more deadly than a mad dog's tooth,

indem sie poisons als Prädikat faffen und mit dem Pluralsubjekt in Uebereinstimmung bringen. Dadurch schneiden sie jeden Weg zu der, wenn auch nicht allein, so doch gleichberechtigten Interpretation der Folio-Editoren ab.

Ein Beispiel anderer Art für die Bedenken, welche gegen eine vollständige Modernisierung der Orthographie sprechen, möge mir wieder der König Johann an die Hand geben. Der Bastard sagt dort (IV, 3, 155):

Now happy he whose cloak and cincture can

Hold out this tempest.

Es sollte mich wundern, wenn nicht mancher Leser von Urteil an dieser seltsamen Ausdrucksweise Anstoß genommen hätte: Glücklich derjenige, dessen Mantel und Gürtel diesen Sturm aushalten. Ob ich den Gürtel als Teil des Mantels nehme oder nicht, in

beiden Fällen ist die Verbindung gleich sonderbar. Aber Shakespeare ist daran völlig unschuldig. Die Folios lesen: whose cloak and center can hold out this tempest, glücklich derjenige, dessen Mantel und Herz den Sturm aushalten. Centre, das Centrum, der innerste Kern, findet sich auch sonst bei Shakespeare zur Be= zeichnung der Seele im Verhältnis zur leiblichen Hülle. Sonn. 146: Poor soul, the centre of my sinful earth.

Rom. and Jul. II, 1, 2:

Turn back, dull earth, and seek thy centre out, fehre zurück, du entgeisteter Leib, und suche deine Seele. Wint. Tale I, 2, 138:

Affection, thy intention stabs the centre!

Die neuen Herausgeber aber nahmen das Wort im King John, wegen der unerheblichen Abweichung in der Orthographie, für das französische ceinture und korrigierten nun ruhig das moderne cincture in den Text, unbekümmert darum, daß dies ein dem Dichter unbekannter Ausdruck ist. Von cincture aber auf das einzig richtige centre zurückzugelangen, möchte ohne die Folio auch dem glücklichsten Emendator schwer gefallen sein.

Nach diesen Beispielen, die ich nur zusammengestellt habe, wie sie mir gelegentlich in die Hand gekommen sind, werden Sie vielleicht die Behauptung nicht unbegründet finden, daß die sprachliche Durchforschung Shakespeare's mit der fachlichen nicht Schritt gehalten hat, und daß das, was wir über seinen Wortgebrauch, über die Eigentümlichkeiten seiner Sagfügung, seiner Redefiguren und Tropen wissen, noch keine zusammenhängende und zu sichern Schlüssen führende Kenntnis, sondern im Grunde nur ein Cento von gelegentlichen Parallelstellen und eitel Stückwerk ist. Sidney Walker hat zu methodischen Untersuchungen einen Anfang gemacht, aber was er giebt, sind doch nur lose und fragmentarische Beiträge zu einer künftigen Shakespeare'schen Grammatik und Lerikographie, dankenswert mehr darum, weil sie auf eine Masse von Fragen und Erscheinungen aufmerksam machen, als weil sie mit der Akribie, welche man bei Forschungen auf dem Gebiet der altklassischen

Philologie gewöhnt ist, das Einzelne zu befriedigendem Abschluß führen. Und doch werden wir erst dann, wenn wir unseren Shakespeare so nach allen Seiten kennen, wie Wolf seinen Homer oder Hermann seinen Sophokles kannte, mit voller Bestimmtheit entscheiden können, was seiner Art gemäß ist und was nicht. Bis es so weit gekommen, darf man diejenigen nicht der Pedanterie und beschränkten Altgläubigkeit anklagen, welche sich gegen Neuerungen abwehrend verhalten, die nicht das unverkennbare Gepräge der Zuverlässigkeit haben. Denn wenn einmal unter Irrtümern die Wahl getroffen werden muß, so verdient auf dem Gebiet, von welchem wir reden, der ältere schon darum den Vorzug, weil er leichter als Irrtum zu erkennen ist und für alles Suchen nach der Wahrheit den einzig möglichen Ausgangspunkt bildet. Ich hoffe, auf dieses Thema ein andermal mit reichlicheren Belegen zurückkommen zu können.

Walter Scott.
Eine Vorlesung.

Daß das Interesse für englische Litteratur schon im vorigen Jahrhundert bei uns Deutschen sehr groß gewesen, lehrt uns von Bodmer herab jedes Blatt unsrer Litterärgeschichte. Von geringerem Umfange, war es ohne Zweifel intensiver und wirksamer als heutzutage. Man suchte damals in viel höherem Grade als jezt bei den Schriftstellern selbst der poetischen Gattung nicht blos Unterhaltung und Genuß, sondern auch Belehrung und Beispiel. Man sah sich nach Führern um, die unsicheren Schritte der eig= nen Entwickelung zu leiten, und physische wie geistige Stammverwandtschaft zog uns unter den Neueren besonders zu den Engländern hin.

Aber dies Verhältnis, so innig es war, bezog sich doch im wesentlichen nur auf die Stimmführer der Nation und berührte das große Publikum nur mittelbar. Wenigstens zeigte das letztere keine selbständige Aufmerksamkeit auf die Tageserscheinungen der englischen Litteratur und bedurfte beständig des Hinweises und der Anleitung. Es verrät sich dies besonders in dem zögernden Erscheinen deutscher Uebersetzungen selbst von solchen Werken, welche sich durch ihre prosaische Form zu einem bequemen Gegenstand der Spekulation eigneten. Die berühmtesten englischen Romane, die Clariffa, der Peregrine Pickle, der Tristram Shandy, der Roderick Random, der Tom Jones fanden erst nach 3, 4, 6, 7, der lezte gar erst nach 30 Jahren deutsche Uebersetzer. Die schleunigsten Bearbeitungen erlebten Richardsons Grandison, Smollets Humphrey Clinker, Sternes empfindsame Reise und

Goldsmiths Landprediger, und doch verstrich auch bei ihnen ein volles Jahr zwischen Original und Uebersetzung.

In dieser Beziehung ist der Verkehr in unserm Jahrhundert in merklich rascheren Schwung gekommen. Es trat eine Zeit ein, wo das selbständig gewordene Interesse des Publikums der Stimme der Kritik vorauseilte, und wo man die neuesten Erscheinungen der englischen Litteratur, wenigstens auf Einem Gebiet derselben, fast mit derselben Spannung erwartete wie politische Nachrichten. An den verschiedensten Orten entstanden Uebersetzungsfabriken, die einander an Schnelligkeit zu überbieten strebten; die Bücher gingen bogenweise aus den Londoner und Edinburger Druckereien dahin ab; und es war etwas Gewöhnliches, Uebersetzung und Original gleichzeitig ausgegeben zu sehn. Es konnten auf diesem Wege nicht Arbeiten entstehn, welche mäßigen oder gar strengen Anforderungen gerecht wurden, aber es galt auch nur, den Heißhunger von Lesern zu befriedigen, welche an jenen Erzeugnissen ein rein stoffliches Interesse nahmen und kaum zu dem Bewußtsein gelangten, daß sie es mit Hervorbringungen der Kunst zu thun hatten.

Es ließe sich vielleicht der genaue Zeitpunkt angeben, mit welchem dieser hastige litterarische Verkehr seinen Anfang nahm; jedenfalls knüpft er sich an Einen Namen und Eine Schriftgattung, die Waverley-Romane Walter Scotts. In ihnen ist aber nicht blos der Beginn, sondern wahrscheinlich auch der Höhe= punkt des bezeichneten Verhältnisses zu suchen. Die große Verbreitung, welche spätere englische Novellisten bei uns gefunden haben, ist zum Teil eine von Scott überkommene Erbschaft, eine Nachwirkung seiner Popularität, und es läßt sich zweifeln, ob irgend einer von ihnen das Interesse zu schaffen vermocht hätte, welches sie schon vorfanden. Alle späteren haben ihre Glanzperiode gehabt und noch bei Lebzeiten andern Plaß machen müssen; keiner von ihnen hat, bei der ausgeprägtesten Eigentümlichkeit, einem ganzen Litteraturzweige seinen Stempel aufgedrückt; Walter Scott herrschte auf dem Gebiet des Romans bis zu seinem Tode fast allein und unumschränkt, und hatte keine Nebenbuhler, sondern nur Nachahmer.

Dieselbe Anerkennung fand er in Frankreich, in Italien, in Nordamerika, in der ganzen gebildeten Welt, durch alle Schichten

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