תמונות בעמוד
PDF
ePub

Geschmack entgegenzuwirken. Es sind dies: 1) Die pseudonyme Abhandlung Du théâtre anglais, par Jérome Carré (1761); 2) der Commentar zu Corneille mit der Uebersetzung des Shakspeareschen Julius Cäsar (1762); und 3) die beiden Briefe an die Academie gegen Letourneurs Uebersetzung (1776) und zur Widmung der Irene (1778).

Alle drei sind, wenn man sie an ihrem Hauptzweck messen will, äußerst schwache Machwerke und nur zur Charakteristik Voltaires interessant. In dem Carréschen Aufsatz*) wird, um den Rangstreit zwischen der französischen und englischen Bühne zu entscheiden, eine Analyse des Hamlet, des Othello, und der Ot= wayschen Waisen gegeben, nebst Uebersetzungsproben, Alles ohne Verständnis des Ganzen und mit grober Entstellung des Einzelnen **). „Solche Stücke, heißt es dann weiter, wagt man dem Cinna vorzuziehn! Es sind dabei zwei große Fragen zu beantworten: 1) wie so viel Wunderlichkeiten sich in Einem Kopf zu= sammenfanden? denn alle Stücke des göttlichen Shakspeare find

*) 47, 290.

**) Als Beispiel diene die Ermahnung des Laertes an Ophelia: Voyezvous, ma soeur? un prince, un héritier d'un royaume ne doit pas couper sa viande lui-même; il faut qu'on lui choisisse ses morceaux; prenez garde de perdre avec lui votre coeur, et de laisser votre chaste trésor ouvert à ses violentes importunités. Il est dangereux d'ôter son masque, même au clair de la lune. La putréfaction détruit souvent les enfans du printemps, avant que leurs boutons soient ouverts, et dans le matin et la rosée de la jeunesse, les vents contagieux sont fort à craindre. Statt des weitschweifigen Auszugs aus dem Hamlet und Othello teilen wir hier einen kürzeren aus Richard III mit, der ziemlich aus derselben Zeit herrührt (61, 363): Au premier acte, Richard dit qu'il est bossu et puant, et que, pour se venger de la nature, il va se mettre à être un hypocrite et un coquin. En disant ces belles choses, il voit passer un enterrement (c'est celui du roi Henri VI); il arrête la bière et la veuve qui conduit le convoi. La veuve jette les hauts cris; elle lui reproche d'avoir tué son mari. Richard lui répond qu'il en est fort aise, parce qu'il pourra plus commodément coucher avec elle. La reine lui crache au visage: Richard la remercie, et prétend que rien n'est si doux que son crachat. La reine l'appelle crapaud: vilain crapaud, je voudrais que mon crachat fût du poison. Eh bien, Madame, tuez-moi, si vous voulez : voilà mon épée. Elle la prend: vas, je n'ai pas le courage de te tuer moi-même Non, ne te tue pas, puisque tu m'as trouvée jolie. Elle va enterrer

[ocr errors]

son mari, et les deux amans ne parlent plus que d'amour la pièce.

dans le reste de

in diesem Geschmack; und 2) wie man die Stimmung gewinnen konnte, dergleichen mit Vergnügen zu sehn, und wie es noch im Jahrhundert Addisons ein Publikum dafür giebt? In Betreff des ersten Punkts hört das Wunder auf, wenn man erfährt, daß Shakspeares sämtliche Tragödien aus der Geschichte oder aus Romanen entlehnt und daß sein Hamlet nur der dialogisierte Roman des ehrsamen Saro Grammaticus ist. Das zweite Problem hat mehr Schwierigkeit, läßt sich aber nach den gründlichsten Erwägungen gewiffer Philosophen folgendermaßen lösen. Sänftenträger, Matrosen, Droschkenkutscher, Ladenjungen, Fleischergesellen und Zunftschreiber lieben die Schauspiele leidenschaftlich; gebt ihnen Hahnen-, Stier- und Borerkämpfe, Leichenbegängnisse, Galgen, Herenspuk, Gespenster, und sie strömen in Massen herbei; und es giebt mehr als Einen vornehmen Herrn, der nicht minder neugierig ist als das Volk. Die guten Spießbürger von London fanden in den Tragödien Sh.'s Alles, was sie nur haben wollten. Die Herren vom Hof sahen sich genötigt, dem Strome zu folgen: wie fonnte man anders als bewundern, was der gesundeste Teil der Einwohnerschaft bewunderte? Dazu gab's 150 Jahre lang nichts Beffers; die Bewunderung faßte Fuß und wurde Abgötterei. Hier. und da ein genialer Zug, hier und da ein glücklicher Vers, den man wider Willen im Gedächtnis behält, bringt das ganze Stück zu Gnaden, und allmählich ist auf Grund einzelner Schönheiten*) sein Glück gemacht. Dergleichen Schönheiten giebt es im Sh. allerdings. Herr v. Voltaire war's, der sie uns zuerst kennen lehrte und uns vor etwa 30 Jahren mit den Namen Milton und Shakspeare vertraut machte."

Der mit vielem Geräusch angekündigte Commentar zum Corneille hatte neben dem ausgesprochenen Zweck, eine Verwandte des berühmten Dichters durch den Ertrag zu unterstüßen, die geheime und wichtigere Absicht, das französische Drama am englischen, Corneille an Shakspeare zu rächen, und mit Emphase nannte der Herausgeber sich in Briefen vengeur de Corneille **). Er ging auch wirklich mit dem besten Vorsatz ans Werk, den franzö

*) beautés de détail, also das, was ihm sonst den Maßstab für den Wert eines Stückes gab.

**) 62, 113.

sischen Dichter vortrefflich, und den englischen, welchen er ohne Not häufig zum Vergleich herbeizieht, abgeschmackt zu finden. Aber bald machte die Unnatur und Kälte Corneilles, die eine so nahe Berührung fühlbarer werden ließ als sonst, seinen Plan zunichte und schon bei den sogenannten „Meisterwerken" empörte sich ihm zum Troß der ganze Rest seines gesunden Gefühls und Wahrheitsfinnes *). Je weiter er in der Arbeit fortschreitet, desto mehr wird seine Kritik zu einer Verurtheilung, und gar die lehten Stücke werden meist in Bausch und Bogen als einfach unerträglich abgefertigt. Noch unumwundener geht er in seinen vertraulichen Briefen mit der Sprache heraus. Ich behandle Corneille bald wie einen Gott, bald wie einen Karrengaul," schreibt er unter der Arbeit an d'Argental**); und nach ihrer Beendigung an die du Deffant: „Ich habe diesen Schund (ce fatras) nur commentiert, um der Mademoiselle Corneille eine Aussteuer zu erschreiben“ ***).

Dagegen sieht er sich bei allem Spott, den er über Shakspeare ausschüttet, wiederholentlich†) zu der Anerkennung genötigt, daß Sh. unter allen tragischen Dichtern der unterhaltendste sei; er erreiche dies zwar auf Kosten der Wahrheit, der Regeln, der Schicklichkeit, mais enfin il attache. Ob man nicht besser

*) Er sagt vom Cinna, er sei mehr ein schönes Werk als eine gute Tragödie (50, 209); Marimus im Cinna n'est ni un vrai romain, ni un vrai conjuré, ni un vrai amant, il n'est que froid et faible (215); dann steigert sich der Ausdruck von Schritt zu Schritt: ce discours est d'un vil domestique, et non pas d'un sénateur romain (216); langage de ruelle (217) etc. Im Kommentar zu den Horatiern kommen folgende Wendungen vor: du phébus, du galimatias, vers intolérable, vaine déclamation; tout refroidit, tout glace le lecteur; scène dure et révoltante. Zum Polyeuct: vers rampans, trop négligés; bien peu décent, bien peu naturel. Zum Theodorus: turpitude odieuse et ridicule; comment osons-nous, après cela, condamner les pièces de Lopèz de Véga et de Shakespeare? Zur Rodogune: sentences amoureuses d'une semblable afféterie; expressions impropres, hasardées, lâches, négligées; puérilité; barbarismes et solécismes intolérables; rien n'est plus bas, ni même plus mal placé u. f. w. (50, 279; 280; 287; 288; 291; 303; 317; 480; 498; 516; 521; 522; 523; 580).

**) 62, 217.

***) 63, 400.

†) 50, 65; 277. vgl. 63, 284: tous les raisonnements de Pierre Corneille sont à la glace en comparaison du tragique de ce Gilles. On court encore à ses pièces, et on s'y plait en les trouvant absurdes.

thäte, Schicklichkeit und Regeln über Bord zu werfen, wenn sie dem Amüsement Abbruch thun, auf diese Frage kommt der Urheber des Ausspruchs nicht, daß jedes Genre erlaubt sei, nur das langweilige nicht.

[ocr errors]

Als Anhang zum Commentar erschienen Uebersetzungen des Calderonschen Heraclius*) und des Shakspeareschen Cäsar, welche dem französischen Dichter die wirksame Folie geben sollten. Hier hatte man nun Gelegenheit, die französische politesse mit der englischen barbarie zu vergleichen**). Voltaire versprach sich von dem Einfall den glücklichsten Erfolg: „die Verschwörung des Brutus und Cassius gegen Cäsar von dem verrückten Shakspeare folgt unmittelbar auf den Cinna des Corneille, Vers für Vers und Wort für Wort überseßt, es ist zum Totlachen" ***). Delaplace, versichert er nach allen Seiten hin, habe nicht Eine Zeile richtig wiedergegeben; es existiere überhaupt keine treue Uebertagung außer der seinigen. Um dem Original in jeder Beziehung gerecht zu werden, habe er sich ebenfalls reimloser Verse bedient; dergleichen könne man auf Einem Bein stehend zu Dußenden dictieren, es sei nicht schwerer, als Briefe zu schreiben†). Und doch wußte Voltaire, wie wir oben gesehen, sehr wohl, daß es mit dem englischen blank verse etwas andres auf sich hatte als mit französischen Versen ohne Reim.

Nicht ohne guten Grund wählte er gerade den Shakspeareschen Cäsar zum Ueberseßen, denn dies Stück hatte ihm vor Alters manche trübe Stunde bereitet. Der Tag der Vergeltung war nun gekommen, und zugleich eine Gelegenheit, zu zeigen, daß man ihn einst mit Unrecht angeklagt, das englische Stück geplündert zu habent). Darum brach er vor den Reden des Brutus und An

*) Er wählte von Calderon den Heraclius, weil Corneille beschuldigt' war, ihn nachgeahmt zu haben. Diese Beschuldigung, schreibt V., ist das Frivolste, was sich denken läßt; gerade das Gegenteil hat Wahrscheinlichkeit für sich (Brief an Duclos vom 7. Juni 1762; 62, 411; und Vorrede - zum Heraclius). Acht Tage später an den spanischen Bibliothekar Mayans y Siscar: Entre nous, je pense que Corneille a puisé tout le sujet d'Héraclius dans Caldéron (62, 415).

**) 62, 72:

***) 15, 276.

†) 9, 340.

††) So ausdrücklich die Vorrede.

tonius im dritten Act, welche er zum Mort de César benutzt hatte, im Ueberseßen ab und schrieb Fin du troisième et dernier acte darunter.

Für die Uebersehung selbst ist kein Wort des Tadels hart genug, und nur wer mit Lacroix jeder näheren Prüfung derselben ausweicht, kann im Zweifel sein, ob Voltaire in seiner Opposition gegen Shakspeare von ehrlicher, obwohl irriger Ueberzeugung oder von den niedrigsten persönlichsten Beweggründen geleitet wurde. Wir haben es hier fast Zeile für Zeile mit geflissentlichen Fälschungen und Verdrehungen zu tun. Nur an einzelnen Stellen kann man es unentschieden lassen, ob nicht ein einfaches Mißverständnis vorliegt*); im ganzen und großen tritt die lügnerische Tendenz klar zu Tage**).

*) 3. B. wenn as well as I do know your outward favour übersett ist: ainsi que je connais ton amitié fidelle; und später: that by no means I may discover them by any mark of favour mit: Et nul à Lucius ne s'est fait reconnaître pas la moindre amitié. Oder: his coward lips did from their colour fly: la couleur des rubis s'enfuyait tristement de ses lèvres poltronnes.

[ocr errors]

-

[ocr errors]

**) Portia is Brutus' harlot, not his wife französisch: Porcie est votre concubine, und darunter die Anmerkung: Il y a dans l'original, whore, putain. Stellen, welche V. bei früheren Veranlassungen richtig übertragen hatte (38, 18), wie Brutus' Worte the genius and the mortal instruments etc. sind nun zu solchem Unsinn verdreht wie: un assaut de génie, qui dispute en secret avec cet attentat. Wir beschränken uns auf folgende weitere Blumenlese: The eye sees not itself, but by reflection, by some other things, L'oeil ne peut ce voir, à moins qu'un autre objet ne réfléchisse en lui les traits de son image. What trash is Rome! Que de paille dans Rome! et que d'ordure, o Ciel! But 'tis a common proof, that lowliness is young ambition's ladder etc. L'échelle des grandeurs à ses yeux (de l'ambition) se présente; elle y monte en cachant son front aux spectateurs; et quand elle est au haut, alors elle se montre; alors jusques au ciel élevant ses regards, d'un coup d'oeil méprisant sa vanité dédaigne les premiers échelons qui firent sa grandeur. Here, as I point my sword, the sun arises etc.: Tenez, le soleil est au bout de mon épée; il s'avance de loin vers le milieu du ciel, amenant avec lui les beaux jours du printemps. Vous verrez dans deux mois qu'il s'approche de l'ourse; mais ses traits à présent frappent au Capitole. I spurn thee like a cur out of my way: va, je te rosserai comme un chien. As low as to thy foot doth Cassius fall: Cassius s'abaisse à te baiser les pieds. Good friends, go in, and taste some wine with me: Allons tous au logis, buvons bouteille ensemble. Und bei solchen frechen Entstellungen findet man in Anmerkungen die Versicherung: toujours

[ocr errors]
« הקודםהמשך »