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erzählt die Uebersetzung, sei so mangelhaft und unförmlich gewesen, daß man in ihr leicht die Hand eines Menschen erkennen konnte aus der Klasse der doctores umbratici; dennoch habe man sie mit derselben Strenge kritisiert, als wenn Voltaire selbst sie veröffentlicht hätte*). Im weitern Verlauf heißt es: „V. hat an einigen Stellen Shakspeare nachgeahmt, einen englischen Dichter, der in demselben Stück die kindischsten Albernheiten und die erhabensten Gedanken vereinigt; er hat davon denselben Gebrauch gemacht wie Virgil vom Ennius; er hat von dem englischen Schriftsteller die beiden letzten Scenen nachgebildet, die schönsten Musterstücke der Beredsamkeit, die es auf der Bühne giebt. Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles. Ist es nicht ein Rest der Barbarei in Europa, zu verlangen, daß die politischen und launenhaft willkürlichen Grenzen der Staaten auch die Wissenschaften und schönen Künste einschränken sollen, deren Ziele durch einen gegenseitigen Verkehr viel weiter gesteckt werden könnten? Diese Erwägung kommt der französischen Nation mehr zu als jeder andern: sie befindet sich in der Lage der Schriftsteller, von denen das Publikum desto mehr verlangt, je mehr es von ihnen empfangen; ihre allgemeine Bildung und Verfeinerung giebt das Recht, von ihr zu verlangen, daß sie das Gute ihrer Nachbarn nicht nur billige, sondern auch sich damit zu bereichern suche. Tros Rutulusve fuat, nullo discrimine habeto"**). - Dem Ganzen war endlich eine Vorrede, scheinbar auf Veranstaltung des Verlegers, vorgedruckt,

*) Die französische Uebersetzung spricht sehr umständlich über die Pariser Ausgabe; das italienische Original deutet nur beiläufig darauf an: Questa si è il Cesare del nostro Voltaire non alterato o manco, ma quale è uscito delle mani dell' autor suo.

**) Vgl. das Original: Come che sia, il Voltaire ha preso in questa tragedia ad imitare la severità del teatro Inglese, e segnatamente Shakespeare, uno de' loro poeti, in cui dicesi, e non a torto, che vi sono errori innumerabili e pensieri inimitabili, faults innumerable and thoughts inimitable . . . . E si potrebbe dare il caso che la poesia Inglese fosse accolta a Parigi allo stesso modo della filosofia che è stata loro recata dal medesimo paese. Ma certo dovranno sapere i Francesi non picciolo grad a chi è venuto ad arricchire in certa maniera il loro Parnasso di una sorgente novella. Tanto più che grandissima è la discrezione con che ad imitare gl' Inglesi s'è fatto il nostro poeta, come colui che ha trasportato nel teatro di Francia la severità delle loro tragedie senza la ferocità. Die kühne Plagiator-Theorie gehört demnach ausschließlich dem französischen Ueberseßer. Ges. Abh. v. Dr. Alex. Schmidt.

nach welcher der Zweck des Dichters dahin ging, im Mort de César dem Publikum einen Begriff vom dramatischen Styl der Engländer zu geben.

Damit war die Sache abgethan, und kein neuer Angriff von dieser Seite störte die Ruhe des Dichters, der in kurzem noch den Triumph erlebte, seinen Gegner Desfontaines im Elend zu sehn, während er selbst sich auf der Höhe des sinnlichen Behagens befand*). Aber mit dem freundnachbarlichen Verhältnis zu Shakspeare war es ein für allemal vorbei, ja es schien sogar Voltaires dramatische Ader für einige Jahre verstegt, bis eine neue Reihe von Tragödien, Komödien und Zwitterstücken, welche eigentlich dem vielgetadelten Genre des la Chaussée angehörten, seine unerschöpfliche und selbständige Gestaltungskraft aufs neue bekundete. Hier und da, z. B. im Mahomet und im Triumvirat, drängten sich ihm Reminiscenzen aus Shakspeare vielleicht ohne Absicht auf; im ganzen ging sein Bestreben unverkennbar dahin, nichts weiter mit ihm gemein zu haben. Dabei fuhr er freilich fort, sich als ein Reformator der Bühne zu gebärden**). Der Tod des Cäsar hatte nur drei Acte statt der üblichen fünf; — der Uebersetzer des Algarotti bezeichnete das als eine der kühnsten Revolutionen, die man je auf der Bühne gewagt; im Tancred führte er wechselnde Reime (vers croisés) ein, - wiederum ein Wagstück, das eine lange Rechtfertigung und eine Warnung an jüngere Dichter notwendig machte; dann kamen gar zehnsylbige Verse im Enfant prodigue, in der Prude, Nanine und im Droit du Seigneur; Einführung bürgerlicher Personen in die Tragödie in den Guebern; - alles Neue= rungen, die Voltaire mit hochtrabenden Worten der Welt verkündigt, während sie fast sämmtlich sich auf fremden Vorgang, die dreiactige Tragödie schon auf Racines Esther, zurückführen lassen, und jedenfalls des Aufhebens nicht wert waren. In allem Wesent

*) 56, 421: an Thiriot: Rousseau est chassé partout, Desfontaines est détesté, et vit seul comme un lésard: moi, je vis au milieu des délices; j'en suis honteux; vale; écrivez donc, loir, marmotte; dégourdissez votre indifférence. Anders freilich an Desfontaines' Freund Asselin (S. 340): J'apprends que l'abbé Desfontaines est malheureux, et dès ce moment je lui pardonne. Si vous savez où il est, mandez-le-moi. Je pourrai lui rendre service, et lui faire voir par cette vengeance qu'il ne devait pas m'outrager.

**) 5, 220.

lichen, in der Lehre von den Einheiten, in der Vorstellung von der Bühnen-Wahrheit und Natur als bedingt durch die gesellschaftlichen Gewohnheiten des Publikums, in der Hochstellung der schönen Phrase, blieb er nach wie vor der bornierteste Verfechter der klassischen Schule.

Nicht Voltaire, sondern Destouches und Prevost waren es, die durch selbstloses und aufrichtiges Lob, der erstere auch durch Uebersetzungs-Versuche, Shakspeare in Frankreich Boden bereiteten; nicht Voltaire, sondern Hénault und de Belloy riefen nach Shakspeares Beispiel das national-historische Drama ins Leben durch die Tragödien Franz II und die Belagerung von Calais, Stücke von ganz andrer Tendenz als Zaire, Adelaide und Tancred, in denen Alles bis auf die Titelnamen für den Nationalsinn bedeutungslos war. 1745 erschien die erste französische Uebersetzung Shakspeares von Delaplace, eine nach heutigen Anforderungen allerdings ebenso wenig befriedigende Arbeit wie die Wielandsche, aber eingegeben von einer Bewunderung, wie sie sich bis dahin noch nirgends außerhalb Englands kundgegeben hatte. Bei uns Deutschen, die wir uns so gern rühmen, Shakspeare entdeckt zu haben, hörte man eine Sprache wie in Delaplaces Vorrede erst 20 Jahre später*). Die geistige Gährung, in welcher Frankreich fich befand, war der Aufnahme Shakspeares überaus günstig, und viele Erscheinungen jener Zeit, namentlich die Ansichten und Bestrebungen Diderots, Rousseaus und la Chaussées, stehn in näherer oder fernerer bewußter oder unbewußter Beziehung zu ihm.

*) 3. B. Jamais poëte n'a commandé aux passions avec plus d'empire, et jamais empire n'a été plus étendu. Cependant, c'est sans effort qu'il les émeut, qu'il les enflamme et qu'il les calme à son gré. C'est même presque toujours sans nous y préparer et sans nous le faire apercevoir, qu'il nous conduit à son but. Le coeur s'émeut, nous soupirons, nos larmes coulent, et toujours dans le moment où il l'a voulu . . . . Il n'est pas moins extraordinaire de voir ce même homme commander à des passions directement opposées à celles-ci. Les différents ridicules de l'humanité reçoivent de son pinceau des touches aussi fines et aussi riantes, que les vertus et les vices en reçoivent de majestueuses et d'étonnantes. Il n'excelle pas moins dans le sens froid de la réflexion et du raisonnement que dans la chaleur des passions. Ses maximes et ses sentimens ne sont pas seulement judicieux et convenables aux sujets qu'il traite, mais, par une finesse de discernement qui lui est particulière, il frappe toujours le vrai et l'unique point qui peut éclaircir ou trancher la difficulté qui se présente etc.

Dagegen sprach Voltaire, als er nach langem Schweigen sich wieder über Shakspeare vernehmen ließ, überall, wo ihn der Ernst der Veranlassung nicht zum Maßhalten nötigte*), im Tone persönlichen Grolles und Widerwillens und scheute keine Verdrehung und Entstellung, um das öffentliche Urteil zu verwirren. In dem Vorwort zur Semiramis (1748), in welcher er einen neuen Versuch mit dem Gespenst der Eriphyle machte, konnte Shakspeare nicht wie bei der letztern - unerwähnt bleiben, da die Delaplacesche Uebersetzung den Hamlet schon 1746 gebracht hatte. Es wird dem Geist in dem englischen Stück eine größere Wirkung zugesprochen als dem Geist des Darius bei Aeschylus, da der letztere nur Bekanntes verkündige, der Shakspearesche aber eine verborgene Schuld an den Tag bringe. „Sonst fährt er fort - bin ich wahrlich weit entfernt, der Tragödie Hamlet das Wort zu reden; es ist ein rohes und barbarisches Stück, das man in Frankreich und Italien nicht dem gemeinsten Pöbel vorführen dürfte. Hamlet wird im zweiten Act verrückt und seine Geliebte im dritten; der Prinz tötet den Vater seiner Geliebten, indem er macht, als wenn er eine Ratte töte, und die Heldin stürzt sich in den Fluß. Man bereitet auf der Bühne ihr Grab; die Totengräber reißen ihrer würdige Zoten, wobei sie Totenschädel in den Händen halten; Prinz Hamlet antwortet auf ihre abscheulichen Roheiten mit nicht minder ekelhaften Possen. Während dieser Zeit führt einer von den Schauspielern die Eroberung Polens aus. Hamlet, seine Mutter und sein Stiefvater trinken zusammen auf

*) So in seiner akademischen Receptionsrede (Mai 1746), wo er nicht ohne Wahrheit und Würde sagt: C'est à Lopèz de Véga que l'espagnol doit sa noblesse et sa pompe; c'est Shakespeare qui, tout barbare qu'il était, mit dans l'anglais cette force et cette énergie qu'on n'a jamais pu augmenter depuis, sans l'outrer, et par conséquent, sans l'affaiblir (47, 9). Schon feindseliger, aber immer noch maßvoll im Essai sur les Moeurs etc. 1756: Il y eut un théâtre en Angleterre, mais il était encore plus sauvage. Shakespeare donna de la réputation à ce thèâtre sur la fin du seizième siècle. Son génie perça au milieu de la barbarie, comme Lopèz de Véga en Espagne. C'est dommage qu'il y ait beaucoup plus de barbarie encore que de génie dans les ouvrages de Sh. . . . Pourquoi des scènes entières du Pastor-fido sontelles sues par coeur aujourdh'ui à Stockholm et à Pétersbourg? et pourquoi aucune pièce de Sh. n'a-t-elle pu passer la mer? c'est que le bon est recherché de toutes les nations (18, 100).

der Bühne; man singt bei Tisch, man zankt sich, schlägt sich, bringt sich um; man sollte glauben, das Stück wäre von einem betrunkenen Wilden. Aber unter diesen rohen Unregelmäßigkeiten, welche. das englische Theater noch heute so abgeschmackt und barbarisch machen, findet man - und das ist das Wunderlichste bei der Sache - im Hamlet erhabene, der größten Genies würdige Züge. Die Natur scheint Gefallen daran gefunden zu haben, im Kopfe Shakspeares das Stärkste und Größte, was sich ersinnen läßt, mit dem Niedrigsten und Abscheulichsten zu verbinden, was Roheit ohne Geist an sich haben kann“*).

In derselben gehässigen Weise spricht Voltaire sich lange vor dem Jahr 1760 - bei jeder Gelegenheit über Shakspeare aus **). Allerdings sind die Erwähnungen desselben bis zu dem genannten Zeitpunkt nicht zahlreich, und der Beginn des geregelten Kampfs ist nicht früher anzusetzen, doch in der Denkweise läßt sich keine Verschiedenheit wahrnehmen. Der Aerger über die wachsende Popularität Sh.'s machte ihn sogar vorübergehend zum Lobredner der Alten, auf die er sonst vornehm herabgesehen hatte, die ihm aber als Bundesgenossen gegen den gemeinschaftlichen Feind willkommen waren***). Wir halten uns bei solchen verzet= telten Aeußerungen nicht auf und gehen zu den Schriften über, welche ausschließlich zu dem Zweck abgefaßt waren, dem neuen

*) 3, 344.

**) z. B. in der Verspottung der chiens de la guerre (60, 351) im Jahr 1758. Im Jahr 1759 nennt er als die Zierden der englischen Nation Newton, Locke, Addison, Swift, Pope und selbst noch Milton, aber nicht mehr Shak speare (15, 231).

***) Vorrede zum Orest (1750): Il n'appartient qu'à l'ignorance et à la présomption, qui en est la suite, de dire qu'il n'y a rien à imiter dans les anciens; il n'y a point de beautés dont on ne trouve chez eux les semences

.. C'est à vous, Madame (die Herzogin von Maine), à conserver les étincelles qui restent encore parmi nous de cette lumière précieuse que les anciens nous ont transmise. Nous leur devons tout: aucun art n'est né parmi nous, tout y a été transplanté; mais la terre, qui porte ces fruits étrangers, s'épuise et se lasse; et l'ancienne barbarie, aidée de la frivolité, percerait encore quelquefois malgré la culture; les disciples d'Athènes et de Rome deviendraient des Goths et des Vandales, amollis par les moeurs des Sibarites, sans cette protection éclairée et attentive des personnes de votre rang (4, 18). Damit vergleiche man die Vorrede zur Semiramis.

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