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macht haben. Mit Einem Wort, Cäsar, Brutus, Cassius und Antonius stehn Ihnen jederzeit zu Diensten . . . . . Keine Umstände; gegen meine Freunde bin ich ein Quäfer."

Er wollte demnach, daß daß Stück durchaus für sein Werk gelten und jedenfalls nicht auf Shakspeare zurückgeführt werden sollte*). Nicht dieser, sondern Corneille war sein Vorbild gewesen. Er wünschte ferner, daß es durch Asselin in die Oeffentlichkeit käme, wie aus folgendem Briefe an seinen Freund Thiriot im Juli 1735 hervorgeht**): „Sie haben ohne Zweifel nicht von ei= nem gewissen Julius Cäsar sprechen hören, der, wie man sagt, im Collége d'Harcourt ziemlich gut aufgeführt worden ist. Es ist dies eine Tragödie von mir (de ma façon), von der ich nicht weiß, ob Sie das Manuscript besitzen. Ich bin nur noch ein Schuldichter (poëte de collége) . . . . Ich habe den Tod des Julius Cäsar corrigiert, und es wäre mir sehr lieb, wenn Sie ihn zu Gesicht bekämen. Ich bin eitel genug, zu denken, daß Sie darin manche Verse finden würden, wie man sie vor 60 Jahren machte."

Wider alles Erwarten sammelte sich ein Unwetter über des Dichters Haupt. Asselin hatte seine Absicht nur zu gut verstanden und das Manuscript nicht nur seinen Bekannten, namentlich dem Abbé Desfontaines, mitgeteilt, sondern es sogar, gleichviel ob selbst oder durch Vermittelung eines Lamare, in Druck gegeben. Bald nach der Veröffentlichung erschien in Desfontaines' Wochenschrift (feuilles hebdomadaires) eine durch eine Reihe von Nummern sich fortziehende Kritik, welche zunächst die dramatische Anlage, namentlich des Brutus Verhältnis zu Cäsar, und den Styl der Tragödie in schonungsloser Weise besprach und für jede Fortsetzung noch schlimmeren Tadel in Aussicht stellte ***). Desfontaines galt für

*) Der Zusa pièce de ma façon, welcher auch im Brief an Thiriot wiederkehrt, wäre nur bei einem ehrlichen Gewissen überflüssig gewesen. Ich wüßte nicht, daß V. ihn bei andern Gelegenheiten angewendet hätte. Die umzuarbeitende lezte Scene ist eben die Shakspearesche. Es scheint, daß V. beabsichtigte, etwas Eigenes an die Stelle zu sehen, daß aber die Shakspearefchen Reden auf ihn wirkten wie die Lichtflamme auf die Motte.

**) 56, 284.

***) Voltaire giebt (56, 308) die Zahl der Nummern auf 20 an. Desfontaines' Zeitschrift habe ich auf den deutschen Bibliotheken nicht aufgefunden; sie mag wohl auch höchstens noch in Frankreich vorhanden sein. Der Zusam

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einen der gelehrtesten Kenner der englischen Literatur in Frankreich), beschäftigte sich viel mit Uebersetzungen aus dem Englischen, und kannte ohne Zweifel auch Shakspeare. Es war zu fürchten, daß er Voltaire als Plagiator entlarven würde.

Dieser gerieth darüber in die äußerste Unruhe. Er schrieb an seine Freunde Berger und Thiriot, an den letteren viermal im Laufe von fünf Wochen *), und beklagte sich bitter über Asselin und Desfontaines. „Ich ließ mich so weit herbei, heißt es im ersten Briefe vom 1. Sept., meine kleine Tragödie Julius Cäsar dem Abbé Asselin zur Aufführung in seinem College anzuvertrauen, mit dem Versprechen von seiner Seite, daß keine Abschrift genommen werden sollte**); dies war eine Rücksicht, die man im Hôtel Saffenage gewissenhaft beobachtet hatte. Im College d'Harcourt bin ich nicht so glücklich gewesen. Ich höre, daß man das Werk nicht nur gedruckt, sondern auch mit mehreren Zusätzen und Verbesserungen eines Schulrectors beehrt hat. Man wird nicht verfehlen, die Veröffentlichung auf meine Rechnung zu sehen, und so bin ich der Verleumdung und Lächerlichkeit preisgegeben. Könnten Sie mir nicht durch eine Anzeige in den Zeitschriften zu Hilfe kommen, daß ich für diese elende Ausgabe in keiner Weise verantwortlich, sondern im Gegenteil über sie sehr bekümmert bin?" Auch in dem Schreiben vom 11. September beklagt er sich über die Entstellungen der erschienenen Ausgabe, obgleich er eingesteht, sie noch nicht zu Gesicht bekommen zu haben. Gegen Desfontaines kennt seine Bitterkeit keine Grenzen; er nennt ihn einen Ignoranten, einen Undankbaren, den er einst aus dem Bicêtre gerettet, einen hungerleidenden Scribenten (auteur famélique), einen Korsaren. Er beschwört seine Freunde, in öffentlichen Blättern, namenhang der Dinge ergiebt sich indessen aus Voltaires Correspondenz mit hinlänglicher Klarheit. Durch ein vollständiges Zengenverhör kann sich die Sache wohl schlimmer, aber nicht besser für ihn stellen Der Hauptpunkt würde sein, mit Bestimmtheit sestzustellen, ob und wann zuerst Desf den Namen Shakspeares genannt hat Wahrscheinlich geschah dies bei der Erörterung von Brutus Charakter, den Desf im Voltaireschen Stück vorzugsweise angriff. Daß es überhaupt geschehn, beweist die Vorrede zur Nebersehung des Shakspeareschen Cäsar 9, 335. Mündlicher Klatsch scheint jedoch bei dem ganzen Handel eine große Rolle gespielt zu haben.

*) Am 1., 11., 24. Sept. u. 4. Oct (56, 288; 291; 292; 297).

**) Das Schreiben vom Mai enthält nichts über ein solches Versprechen.

mentlich in Prevost's le Pour et le Contre, alle Nichtswürdigkeiten dieses Elenden an den Pranger zu stellen.

Dies scheint nicht geschehen oder ohne Erfolg gewesen zu sein, denn einige Wochen später sehen wir ihn nach einem andern Plan verfahren, der jedenfalls sehr geschickt berechnet war. Er beschloß das Drama, welches er vorher mit Nachdruck seine eigene Arbeit genannt hatte, als einen Versuch zu bezeichnen, die Franzosen mit den Eigentümlichkeiten des englischen Theaters bekannt zu machen. Zu dem Ende schickte er an Freunde und Bekannte Abschriften der letzten Scene mit der Bemerkung, er habe sie aus einem alten englischen Dichter übersetzt und bitte um ihr Urteil darüber. „Ich übersende Ihnen, schreibt er an Cideville am 3. November *), die lezte Scene des Julius Cäsar; es ist die von allen Scenen am fehlerhaftesten gedruckte. Ihre größte Merkwürdigkeit besteht darin, daß ich sie aus einem englischen Schriftsteller, der vor 150 Jahren lebte, ziemlich treu überseht habe; er heißt Shakspeare und ist der Corneille von London, sonst ein verrückter Kerl (grand fou d'ailleurs) und öfter einem Hanswurst**) als dem Corneille ähnlich, aber er hat bewunderungswürdige Stellen. Schreiben Sie mir, was Sie über die beikommende urteilen, . schicken Sie sie

auch an unsern Freund Formont, dessen Meinung ich darüber zu hören wünsche." Ziemlich gleichzeitig, am 24. Oct. und 4. Novbr.***), gingen zwei Briefe an Asselin ab mit derselben Sendung und mit Auslassungen über Desfontaines' Kritik. In ihnen findet sich kein Wort des Vorwurfs über die Veröffentlichung des Dramas oder über die Interpolation des Tertes. „Herr Demoulin, heißt es im ersten, hat den Auftrag, Ihnen ein Blatt mit der letzten Scene des Julius Cäsar zu übergeben, wie ich sie aus Shakspeare, einem alten englischen Schriftsteller, übersetzt habe. Ich schickte Ihnen früher nur einen Teil davon, weil ich für Ihr Theater den Mord des Brutus strich, denn in Paris wagte ich

*) 56, 305.

**) Gilles oder Gilles de foire wurde seitdem die stehende Bezeichnung Sh.'s bei Voltaire.

***) 56, 303 u. 307. Wie harmlos Lacroir den Voltaire gelesen, geht am besten aus dem Umstande hervor, daß er alle oben angeführten Briefe als · Beweise seines großen Interesses für Shakspeare einfach nach den Daten aufzählt (.88)

weder Römer noch Engländer zu sein. Die Tragödie macht auf kein andres Verdienst Anspruch, als den Geist der Römer und den des englischen Theaters zu vergegenwärtigen; sie stimmt weder mit unsern Sitten, noch mit unsern Regeln überein; aber der Abbé Desfontaines hätte diese Fremde mit mehr Rücksichten behandeln sollen. Mir scheint es eine Bereicherung der Literatur, wenn man den Geschmack seiner Nachbarn in Beispielen zeigt, und läßt sich das bei Dichtern anders als in Versen thun? Hier wäre für den Abbé D. ein sehr schönes Thema zu behandeln ge= wesen. Es ist wirklich zum Verwundern, daß er von dem Werke so spricht, als wenn es sich um ein französisches Theaterstück handelte. Sie werden ihm das ohne Zweifel zu verstehen geben, wenn Sie ihn sehen. Ich habe vielfachen Anlaß, mich über ihn zu beschweren, und das thut mir sehr leid, denn er ist ein Mann von Verdienst." Der zweite Brief behandelt denselben Gedanken und führt aus, wie Desfontaines durch seine Kenntnis der englischen Literatur mehr als ein anderer befähigt war, über den verschiedenen Charakter der beiden Nationen, wie er sich im Drama ausdrückt, Aufschluß zu geben; statt dies zu thun, habe er unaufhörliche Angriffe auf den Verfasser des Mort de César gemacht, Angriffe, welche dieser ruhig über sich ergehen lassen, obgleich seine Freunde ihn von allen Seiten bestürmt, Rache zu nehmen. Doch ich verzeihe ihm von ganzem Herzen; ich wünsche mit jedermann, und namentlich mit ihm, in Frieden und Freundschaft zu bleiben. Sie haben die Erlaubnis, ihm diesen Brief mitzuteilen. Empfangen Sie die Versicherung meiner lebenslänglichen Dankbarkeit."

Ein Meisterstück diplomatischer Feinheit war Voltaires Schreiben an Desfontaines selbst vom 14. Nov., veranlaßt durch eine begütigende Erklärung des leßteren*). Er leugnet nicht, daß er sich schwer verletzt gefühlt und an seine Freunde in dieser Stimmung geschrieben habe; der Abbé Asselin (an Thiriot adrefsiert er ihn nicht) könne ihm darüber die vollständigsten Mitteilungen machen. Darauf stellt er sich, als ahne er nichts von Desfontaines englischen Studien und Neigungen und fährt fort: „Dem Publikum liegt wenig daran, ob der Tod Cäsars ein gutes oder schlechtes Stück ist; aber mich dünkt, die Liebhaber der Literatur

*) 56, 309.

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hätten gern über diese unsrer Bühne so fremde Art Tragödie Belehrung erhalten; Sie haben darüber gesprochen und geurteilt, als wenn sie für französische Schauspieler bestimmt gewesen wäre. Sie haben davon bin ich überzeugt nicht dem Neide und der Bosheit derjenigen schmeicheln wollen, welche in dieser Gattung arbeiten; vielmehr glaube ich, daß Sie; von der Idee unsrer Bühne erfüllt, mich nach den Mustern beurteilt haben, welche Sie kennen. Sie würden ohne Zweifel den schönen Wissenschaften einen Dienst erwiesen haben, wenn Sie, anstatt von dieser Tragödie in wenig Worten wie von einem gewöhnlichen Stück zu sprechen, die Gelegenheit ergriffen hätten, das englische Theater und selbst das italienische, wovon sie eine Vorstellung geben kann, einer Prüfung zu unterziehn. Die letzte Scene und einige wörtlich aus Shakspeare übersetzte Stellen, eröffneten Ihrer Gelehrsamkeit und Ihrem Geschmack ein weites Feld. Frankreich ist nicht das einzige Land, wo man Tragödien macht, und unser Geschmack oder vielmehr unsre Sitte, nur lange Liebesgespräche auf die Bühne zu bringen, findet bei den übrigen Nationen keinen Beifall. Unser Theater ist gewöhnlich arm an Handlung und großen Interessen Wenn Sie wie ich die ganze Shakspearesche Scene hätten aufführen sehn, so würden Ihnen daneben unsre Liebeserklärungen und Vertrauten sehr armselig erscheinen*).“

Während Voltaire mit diesen Erklärungen der gegen ihn gerichteten Kritik die Spize abbrach, veranstaltete er in Holland eine authentische Ausgabe des Cäsar, und ließ darin als Einleitung einen italienischen Brief des Grafen Algarotti an den Abbé Franchini abdrucken, den er vorher mit dem Verfasser redigiert hatte **). Dem Original ging eine französische Uebersetzung voran, ohne Zweifel aus Voltaires Feder, obgleich er sich stellt, als wisse er nicht, von wem. sie herrühre***). Die Pariser Ausgabe,

*) Auch diesen Sag führt Lacroix als Beweis an, wie hoch V. Shakspeare verehrte, während er nur für das Verhältnis zu Desfontaines charakteristisch ist. An seinen Freund Formont schreibt er den Tag darauf, 15. Nov.: La Cléopatre (de Dryden) est un monstre, comme la plupart des pièces anglaises, ou plutôt comme toutes les pièces de ce pays-là, j'entends les pièces tragiques. 56, 313.

**) 56, 371.

***) An Thiriot 56, 374: J'ai lu Jules César. Est-ce M. Algarotti qui a lui-même traduit son italien?

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