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ration. Er nahm einen umfänglicheren Schauplatz an als üblich; „das Theater stellte einen Teil des Hauses der Consuln (1) auf dem tarpejischen Felsen vor; im Hintergrunde sah man den Tempel des Kapitols. Die Senatoren waren beim Aufgang des Vorhangs zwischen dem Tempel und dem Hause (!) vor dem Altar des Mars*) im Halbkreis versammelt; Lictoren mit Fasces standen hinter ihnen; die Confuln Brutus und Valerius nahmen die Präsidentensiße ein." Dies war appareil, le grand tragique**); um es zu krönen, erschienen die Senatoren nicht in Frack und hautde-chausses, sondern in roten Roben, und damit war denn auch das Lezte für die französische Bühne gewonnen, was die griechische und englische bisher vorausgehabt hatten. Voltaire äußerte sich. sehr schüchtern und zaghaft über dies Wagnis, doch war es nicht so groß als er glauben machen will. Er erzählt selbst, daß schon dreißig Jahre vorher in einer Tragödie Montezuma der König mit seinen Großen und Sklaven in mericanischer Tracht aufgetreten sei und daß dies ungewohnte Schauspiel sehr gefallen habe***). Auch wußte er sehr wohl, daß das Pariser Publikum, welches seit dem Tode Ludwigs XIV. allmählich die Stellung eingenommen, welche ehemals der Versailler Hof in Sachen des guten Geschmacks inne gehabt, neuen geistigen Stimmungen und Richtungen zu folgen begann, zu denen nicht er den Anstoß gegeben.

Jene prunkende Scenerie war Alles, was der Dichter aus Shakspeares Cäsar gelernt hatte. Sonst verlief sein Stück von Anfang bis zu Ende nach der französischen Regel. In der Se

*) Die Senatssitzung fand also unter freiem Himmel statt. Nichtsdestoweniger spielt die dritte Scene in einem Zimmer des Brutus, und dabei heißt es zur Erklärung: Ils sont supposés être entrés de la salle d'audience dans un autre apartement de la maison de Brutus Daß die Sena= toren und die Verschworenen sich immer auf demselben Play verjammeln, giebt keinem mehr Anstoß, der die klassische französische Tragödie kennt. Das Naivste in Bezug auf die Einheit des Orts hat Voltaire aber in L'Enfant prodigue geleistet. Hier ist die Scene à Cognac, und zwar auf der Landstraße, denn Euphemon fragt Jasmin: en quel lieu sommes-nous? und erhält die Antwort: près de Cognac, si je sais mon chemin. An dieser so bezeichneten Stelle finden sich alle Personen des Stücks immer wieder zusammen, und Lise bietet dort (2, 3) der Madame Croupillac einen Stuhl zum Sizen an. **) 15, 199.

***) 1, 308.

natssitzung sprechen nur drei Personen, Brutus, Valerius und der Gesandte Aruns, und nicht die neugeborne Republik Rom, sondern die schlimmsten Zeiten des Tiberius glaubt man vor sich zu sehn, wenn die Senatoren schweigend ihre Stimmzettel in die Urne legen und nichts von den mächtigen Erregungen verraten, welche von freien politischen Beschlußfassungen unzertrennlich sind. Der Sklave Vinder, der zur Entdeckung der Verschwörung das Meiste beigetragen, tritt im fünften Akt auf, ohne den Mund zu öffnen. Die Verschwörung von Brutus' Söhnen geht nicht aus dem gährenden Schoß der Parteiungen hervor, aus welchen eine neue Staatsform sich hervorarbeitet, und in deren Darstellung ein Shakspeare den Kern seiner Aufgabe gesehen haben würde, sondern nach altem gutem Brauch sind ein Paar schöne Augen daran Schuld, mit denen Tarquins Tochter Tullia man weiß nicht recht wie in Rom zurückgeblieben ist. Will man an dem Stück die politische Tendenz rühmen und eine Verherrlichung der Freiheitsidee darin suchen, so mag man das immerhin; zu einer heilsamen Reform der Bühne konnte es unmöglich die Losung sein.

Die in der Vorrede zum Brutus angeführte Bemerkung Popes, daß niemand außer Shakspeare es verstanden, sich im Kreise der Geisterwelt zu bewegen, gab Voltaire den Plan zur Eriphyle*) ein (1732). Nach dem Beispiel des Hamlet brachte er hier den Geist eines verstorbenen Königs auf die Bühne, der zu dem Zweck erschien, seinen Sohn zur Rache an seinen Mördern aufzufordern. Wie ihm dieser Wettstreit mit Shakspeare gelungen, hat schon Lessing hinlänglich bei Gelegenheit der Semiramis dargethan, welche in der That nichts weiter war als eine neue Redaktion der Eriphyle. Voltaire läßt den Schatten des Amphiaraus (resp. Ninus) am hellen Tage vor einer großen Versammlung erscheinen**); Lessing bemerkt dazu, er hätte von der ersten besten alten Frau lernen können, daß das gegen alle gute Gespenstersitte

*) So schreibt V. richtig in seinen Briefen; im Drama selbst ist die Schreibung durchweg: Eryphile.

**) Er versäumte nichts, den richtigen Effect hervorzubringen: J'ai fait placer l'ombre dans un coin, au fond du théâtre; elle montait par une estrade sans qu'on la vit monter; elle était entourée d'une gaze noire: tout dépend de la manière dont sont placées les lumières. Cela fait un effet terrible, quand tout est bien disposé (60, 408).

sei. Auf einen andern nicht minder wichtigen Punkt macht Lacroir aufmerksam *). Shakspeare läßt das Maß der Schuld auf Seiten der Mutter Hamlets im Dunkeln; der Geist des Vaters fordert ihn nur auf, an seinem Cheim als dem unmittelbaren Mörder Rache zu nehmen, dagegen sein Herz durch keinen Gedanken gegen seine Mutter zu beflecken; und als Hamlet diese dennoch hart zur Rede stellt, tritt er abmahnend und besänftigend dazwischen. Schon dieser eine Zug konnte Hamlets mehr vorgeschüßten als gehegten Zweifel beantworten, ob der Geist ein Bote aus jener Welt oder ein Teufel sei, der sich in lockender Gestalt verkleidet". Bei . Voltaire lautet das Zwiegespräch zwischen dem Geist und Alcmäon folgendermaßen: L'Ombre: Arrête, malheureux! Alem.: Ombre fatale, quel dieu te fait sortir de la nuit infernale? Quel est ce sang qui coule? et quel es-tu? L'O.: Ton roi. Si tu prétends régner, arrête, obéis-moi. Alem.: Hé bien, mon bras est prêt; parle, que faut-il faire? L'O.: Me venger sur ma tombe. Alem.: Eh! de qui? L'O.: De ta mère. Eine ähnliche Parallele giebt Shakspeares und Voltaires Julius Cäsar an die Hand. Shakspeare fannte aus seinem Northschen Plutarch sehr wohl die hergebrachte Meinung, daß Brutus der natürliche Sohn Cäsars gewesen sei, doch machte er keinen Gebrauch davon. Nicht die leiseste Andeutung, nicht einmal eine Beziehung darauf als auf ein leeres Gerücht findet sich bei ihm. Ja, Shakspeare läßt bei seinem Cäsar nicht einmal die persönliche Zuneigung durchblicken, welche er nach dem Zeugnis der Geschichte für Brutus hegte; vielmehr steht dieser ihm persönlich nicht näher als die andern Verschworenen **). Die Wahrheit, daß der beste Zweck das schlechte Mittel nicht heilige, konnte nur an einer so milden und edeln Natur wie dem Shakspearschen Brutus zu reiner Anschauung. kommen, nicht an einem Menschen, der die ersten Naturpflichten seiner politischen Ansicht aufgeopfert hätte***). Nichtsdestoweniger

*) S. 45.

**) Decius, nicht Marcus Brutus, genießt und mißbraucht das besondere Vertrauen Cäjars Das Et tu Brute des Ermordeten bezieht sich ungezwungen auf den Charakter des Brutus, nicht auf ein besondres Verhältnis zwischen beiden. Die Worte des Antonius: „Brutus war Cäsars Engel“ find nichts als ein demagogisches Mittel zur Aufregung des Volks.

***) Voltaire wußte wohl, daß kein politischer. Grundsatz von so evidenter

wird durch den bloßen Gedanken an Mord Brutus' Seele wie zerrüttet; der Genius und die sterblichen Werkzeuge" sind bei ihm im Kampf; seine innerste Natur wie er fälschlich meint, die sinnliche, irdische Seite seines Wesens - sträubt sich gegen die That. Voltaire, der Mann der délicatesse und bienséance, fonnte sich aber unmöglich dies Kabinetsstück von einem Vatermord entgehen lassen. Sein Brutus ist Cäsars Sohn und erfährt dies mit urkundlichen Beweisgründen aus Casars Munde, kurz bevor er den Mord vollbringen will. Er legt darauf die Sache den Mitverschwornen zur Entscheidung vor; diese sehen garnicht ein, was damit in der Sache geändert sei; nur Cassius deutet den Gewissenskonflikt mit den Worten an: Mais, dis, sens-tu ce trouble. et ce secret murmure qu'un préjugé vulgaire impute à la nature? Un seul mot de César a-t-il éteint dans toi l'amour de ton pays, ton devoir et ta. foi? Worauf Brutus echt klassisch- französisch : Pleurant d'être son fils, honteux de ses bienfaits; admirant ses vertus, condamnant ses forfaits; voyant en lui mon père, un coupable, un grand-homme; entraîné par César, et retenu par Rome. Levez le bras, frappez, je détourne les yeux

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Mon devoir me suffit, tout le reste n'est rien.

Voltaires nächstes Stück, die berühmte Zaire, zuerst aufge= führt im August 1732, war eine Nachahmung des Othello. Der Verfasser hatte schon früher einmal, in der Mariamne, die Eifersucht zu seinem Thema gewählt, aber mit geringem Glück. Worin sein Fehler lag, wurde ihm durch Shakspeare klar: seines Herodes Eifersucht gegen Mariamne war nicht ohne Grund, denn wenn diese ihm aus Pflichtgefühl treu blieb, so verabscheute sie. ihn doch im Stillen als den Mörder der Ihrigen und liebte den Fürsten von Ascalon. Zaire dagegen wird wie Desdemona durch das Mißtrauen des Mannes vernichtet, den sie allein liebt und für den sie Alles, Vaterland, Verwandte und im Notfall auch ihre Religion zu opfern bereit ist. Die ganze Anlage des Stücks würde das Vorhild verraten, wenn es zum Ueberfluß nicht noch)

Berechtigung sein kann als das Naturgesetz. Orph. de la Chine (4, 299): Va; le nom de sujet n'est pas plus saint pour nous que ces noms si sacrés et de père et d'époux. La nature et l'hymen, voilà les lois premières, les devoirs, les liens des nations entières: Ces lois viennent des dieux; le reste est des humains.

einzelne Stellen thäten*). . Aber eben deshalb überging Voltaire in den verschiedenen Zueignungsepistelu, die er dem Stück vorausschickte, wie auch schon bei der Eriphyle, Shakspeares Namen mit Stillschweigen. In äußerst munterm Ton, bald in Prosa bald in Versen, gleichsam ab und zu vor Freude über sein Lieblingswerk aufhüpfend, widmet er das Drama seinem englischen Gastfreunde Falkener, spricht von Addison, Dryden, Wicherley, Hill, nur nicht von Shakespeare. Wer ihn lesen gelernt hat, findet allerdings eine Anspielung auf leßteren heraus, aber keinen Tribut der Dankbarkeit. Die Franzosen allein, sagt er und dabei ist auf den Verfasser der Zaire verstohlen hingedeutet — haben es verstanden, einfach und natürlich zu schreiben, d. h. avec des bienséances, une délicatesse, une vérité qu'on ne trouve point ailleurs. Daran

*) Das Moi, jaloux! qu'à ce point ma fierté s'avilisse! (2, 49) erinnert an Why! why is this? think'st thou, I'd make a life of jealousy etc. Das Mais ces pleurs sont cruels, et la mort va les suivre (S. 115) an: I must weep, but they are cruel tears; this sorrow's heavenly; it strikes, where it doth love. Die auffallendste Uebereinstimmung ist zwischen der Schlußrede Othellos und den lezten Worten Orosmans. Wir schicken diesen die beilänfige Bemerkung voraus, daß Voltaire als Kriterium für den Werth Shakspeares im Vergleich mit Corneille und Racine die Thatsache anzuführen liebte, wie man Sh. nur in England kenne, während Corneille und Racine auf allen Bühnen Europas einheimisch seien. Wir können heute diese Art von Beweis uns gefallen lassen: es wird nicht nöthig sein, Othellos Worte auszuziehn, während wir mit der folgenden Abschiedsrede Orosmans wohl den meisten Lesern etwas Neues bringen: Guerrier infortuné, mais moins encor que moi, quitte ces lieux sanglans, remporte en ta patrie cet objet que ma rage a privé de la vie. Ton roi, tous tes chrétiens, apprenant tes malheurs n'en parleront jamais sans répandre des pleurs. Mais si la vérité par toi se fait connaître, en détestant mon crime on me plaindra peut-être. Porte aux tiens ce poignard, que mon bras égaré a plongé dans un sein qui dut m'être sacré; dis-leur que j'ai donné la mort la plus affreuse à la plus digne femme, à la plus vertueuse dont le ciel ait formé les innocens appas: dis-leur qu'à ses genoux j'avais mis mes états; dis-leur que dans son sang cette main s'est plongée; dis que je l'adorais, et que le l'ai vengée (il se tue) Einzig in seiner Art und specifisch voltairisch ist es, daß der Verfasser der Zaire bei einer spätern Gelegenheit die leßten Worte Othellos aus Sh anführt mit Auslassung deffent, was er für die Zaire benußt hat, und einen französischen Ueberseßer, der sie vollständig giebt, beschuldigt, die Zaire geplündert zu haben (47, 314). Ganz ebenso schrieb er, als eine Uebersehung des Hamlet erschienen war: Nach meiner Eriphyle und Semiramis kommen die Gespenster in die Mode.

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