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schluß, von nun an alle Zerstreuungen aufzugeben und seine volle Kraft dem Studium zuzuwenden. Er zog in eine der entlegensten Straßen der Stadt, und wenn er nicht im Kolleg war, saß er fast immer zu Hause bei den Büchern. Seitdem hat sein energischer Fleiß bis dicht vor seinem Hingang keine Pause gemacht.

Da der Vater bei einem nur mäßigen Einkommen sieben Kinder zu erziehen hatte, erklärte er dem 20jährigen Studenten, daß er zu seinem Unterhalt nichts mehr beizutragen vermöge. So fiel die Zeit ernster Arbeit zusammen mit peinlichen Sorgen, Sorgen, die ihm oft zu schwer zu werden schienen. Er mußte sich kümmerlich mit kleinen Stipendien und Privatstunden durchzuschlagen suchen. Seinen Kindern erzählte er später: „Wie oft aß ich abends nur ein Stückchen trocken Brot!" Es war wohl eine Folge solcher Entbehrungen, daß er sich einmal ganz kraftlos fühlte und an die Eltern schrieb, er werde nach Hause kommen, um da zu sterben. Doch dank der Küche seiner guten Mutter gewann er wieder Mut und Lebenskraft.

1838 machte er mit Auszeichnung sein Doktoreramen; er hätte es nicht gefonnt, wenn nicht ein Privatgelehrter in Eylau, der ihn sehr schäßte, 100 Thaler zu den Kosten der Promotion und anderen notwendigen Ausgaben vorgestreckt hätte. 1840 folgte dann das Oberlehrereramen, nach welchem ihm die unbedingte Lehrfähigkeit für eine ungewöhnlich große Zahl von Fächern. zugesprochen wurde. Als er schon lange Direktor und als einer der bedeutendsten Shakespearforscher anerkannt war, scherzte er bisweilen darüber, daß er gerade in den beiden Fächern Deutsch und Englisch, in welchen er vorzugsweise und dürfen wir hinzusehen, mit hervorragender Meisterschaft — unterrichtete, keine Lehrfähigkeit erworben habe und daher im Grunde gar nicht dazu berechtigt sei.

Ostern 1840 wurde er als Hilfslehrer an die St. Petrischule in Danzig berufen, 1842 definitiv angestellt. Sein Gehalt war gering, er mußte mit literarischen Arbeiten dem Mangel abhelfen, doch sieht man keiner derselben an, daß die äußere Not auf ihr Entstehen Einfluß gehabt, jede hat ihren inneren Wert. 1849 verheiratete er sich mit der 18 jährigen Tochter des dortigen Medicinalrat Schaper. Das junge Paar hatte in den ersten Jahren

oft mit Sorgen zu kämpfen. Das Geld war knapp, und Schm. hütete sich Schulden zu machen, denn er erinnerte sich aus der Zeit der Not in Königsberg, welche Angst ihn überfallen hatte, wenn der Termin der Rückzahlung nahte und er seinem Gläubiger nicht gerecht werden konnte. Er darbte daher lieber und suchte die ängstliche Frau, wenn sie ihm ihre Not klagte, zu beruhigen. Aber wie freute er sich auch, wenn er ihr unerwartet einen Thaler übergeben konnte, den eine Prüfung ihm eingebracht, und triumphierend rief er aus: Siehst Du, der alte Gott lebt noch!"

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1854 eröffnete sich Aussicht auf eine bessere Stellung. In Königsberg war der Direktor der städtischen Höheren Bürgerschule (Realschule erster Ordnung) gestorben und die Stelle wurde ausgeschrieben. Schm. meldete sich dazu und der Magistrat wählte ihn als den besten unter den Bewerbern. Allein er mußte noch ein ganzes Jahr warten, bis die königliche Behörde seine Wahl bestätigte. Man behauptete in Danzig, er habe 1848 politische Gesinnungen gezeigt, die ihn einer staatlichen Begünstigung unwert machten. Wie wenig Grund die Denunciation hatte, welche der Anlaß dieses Mißtrauens war, beweist ein Brief aus dem Jahre 1848 an seine Schwester. Er schreibt darin: „Wenn die ganze Welt so aus den Fugen ist wie heutzutage, klammern wir uns mit verdoppelter Innigkeit an die Verbindungen an, welche kein Sturm der Zeiten wankend zu machen im stande ist, und wir erkennen es mit Freuden, daß die höheren Gesetze der Sitt= lichkeit, welche im Getreibe der öffentlichen Parteiwut verloren zu gehn drohen, in der Stille des Privatlebens ein verborgenes, aber wirksames Dasein fortseßen. Was mich betrifft, so wird es Dir nicht schwer werden, noch einen speziellen Grund zu finden, der mich gerade jezt für die gemütliche Seite des Lebens empfindlicher macht als sonst." Er hatte sich vor kurzem verlobt, und man wird zugeben, daß in diesem Briefe alles andere eher als die Sprache eines Aufwieglers zu erkennen ist. Das Gran von Thatsache, was ihm verderblich zu werden drohte, war dies. Einer von seinen Kollegen gab ein Bürgerblatt" heraus, wozu auch er einige Beiträge lieferte. Wenn Schm. eine literarische Arbeit für arg verfehlt hielt, so neigte seine Feder stets zu einem spitzen, bisweilen sogar derben Stil. So hatte er die damals erschienene Reformationsgeschichte“ eines hochstehenden Geistlichen

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in Danzig eine Quartanerarbeit genannt, mochte aber vielleicht in anderen Beiträgen zur Bürgerzeitung bisweilen auch das politische Gebiet mehr oder weniger, doch sicher nicht in auffälliger Weise gestreift haben. Als nun die Regierung ihr Gutachten über den Kandidaten für das Königsberger Direktorat abzugeben hatte, soll, wie man damals erzählte, ein Regierungsrat sich jener literarischen Sünden erinnert und dies im Kollegium zu Bedenken Anlaß gegeben haben. Schm. hatte indessen auch angesehene Freunde in Danzig, die zu seinen Gunsten sprachen, und als der Leiter des höheren Schulwesens, Geheimrat L. Wiese, welcher ein scharfes Auge für Lehrertüchtigkeit hatte, zu einer Revision hinkam und einigen Unterrichtsstunden Schm.'s beiwohnte, erfolgte alsbald die Bestätigung. Doch mag diese wohl von einer Verwarnung begleitet gewesen sein, denn als er nach Königsberg kam, hütete er sich fast ängstlich für liberale Unternehmungen oder Personen Sympathie blicken zu lassen. Seine Vorsicht war übertrieben, aber man muß erwägen, daß in jener Zeit blühender Reaktion auch eine unschuldige Abweichung von den Wegen der Regierung leicht strenge Ahndung erfuhr, und Schm. überdies infolge seiner Neigung zum Schwarzfehen die Gefahr sich noch größer vorstellte, als sie in Wirklichkeit war. Doch allem reaktionären Treiben blieb er nach wie vor abhold, seine politische Farbe war und blieb gemäßigt liberal und nie hat er um äußere Ehren gebuhlt. Die Lauterkeit seines Charakters bewahrte ihn davor.

1869 erhielt er den roten Adlerorden vierter Klasse. Sein Freund, der liberale Wilhelm Herzberg, gratulierte ihm dazu, wahrscheinlich in einem munteren Gedicht, wofür er ein liebenswürdiges Talent hatte. Schm. antwortete mit folgenden Strophen:

Wie ward mir? welch seltsames Behagen?
Aufwärts im Flug, und doch in sel'ger Ruh,
Zum vierten roten Himmel will mich's tragen?
Du erst noch Staub, und das verdienest du?

Still steht der Kopf — das brauch' ich nicht zu sagen

Ein Wonneschwindel schließt das Auge zn;

Wie nenn' ich dies Empfinden? dieses Freuen?
Mir ist so wohl als wie zehntausend – Engeln.

Weß ist der Ruf, der unten tief ertönte?
Er schickt die Huld’gung mir der Welt empor;

Den Frühlingsvogelschrei, den der Gekrönte
Vernimmt mit spig und immer spißerm Ohr;
Weß ist die Stimme, die so lustig dröhnte,
Voraus dem ganzen Gratulantenchor?

Ich schau hinab,

Freund, dich, dich muß ich sehen

Mit reinlichen Knopflöchern unten stehen?

Unglaublich fast! In unserm Dichterwalde
Hauptsproffer du! Ich dachte: hat ihn schon!

warte, warte nur! denn balde, balde

Rafft er auch dich mit Haut und Haar davon.
Im Sumpf nicht blos, er aast auch auf der Halde,
Der Aar, fliegt links wie rechts, sich selbst zum Hohn.
Ja, mag es auch zum Lächeln dich bewegen,
Ich fühle wirklich Frühlingsluft sich regen.

Glaub' es auf Freundeswort, ich habe nimmer
Nach diesem Afterlohn den Blick gekehrt;
Nie hab' ich mich verleugnet, habe immer
Das gute Recht mehr als die Macht geehrt;
Nach Ehren nicht und ihrem falschen Schimmer,
Nach Ehre nur zu streben hielt ich wert;
Welch Kreuz mir auch zu tragen ist geworden,
Ich bleib' ein treues Glied vom Geister- Orden.

Es klingt, als ob Schm. jede äußerliche Anerkennung verachtet hätte, aber genauer befehn liegt der Accent auf der lezten Strophe, dem Unterschied zwischen Ehrenzeichen und innerer Mannesehre, das Vorausgehende ist nur eine etwas mutwillige, von bestem Humor zeugende Einleitung dazu. Als er später die dritte Klaffe des Ordens erhielt, sprach er sogar seine Freude darüber aus.

Schm. hat, wie jeder tüchtige Mann, sein Leben lang aufs eifrigste nach Ehre gestrebt, aber in zwei Beziehungen unterschied er sich von den meisten Ehrgeizigen. Er stellte sehr hohe Anfor= derungen an sich und glaubte nicht eher Ehre verdient zu haben, als bis urteilsfähige Richter ihm ihren Beifall gezollt hatten. Und dann er hat eine Anerkennung, die er erfahren, nie zu verbreiten gesucht, selbst seine Freunde konnten meistens nur durch andere davon Kenntnis erhalten. Freilich war er in seinen Anforderungen an andere ebenso streng als gegen sich und daher war seine schriftliche wie mündliche Polemik nicht selten verlegend. Ein Freund sagte ihm einmal, als er im Gespräch in derben

Worten von ihm abgeführt war, er scheine den durch seine Grobheit verrufenen Samuel Johnson sich zum Muster gewählt zu haben. Schm. stußte und sah aus, als ob es ihm leid thäte. Aber zu einer merklichen Aenderung des Tons konnte er sich nicht entschließen.

Schm. hat 30 Jahre lang dem löbenichtschen Realgymnasium vorgestanden und in dieser Zeit nicht nur den Geist seiner Schüler in fruchtbarer Weise gefördert, sondern auch auf ihr Thun und Denken den besten Einfluß geübt. Einer von seinen ältesten Schülern hat einmal kurz und treffend bezeichnet, wodurch er sich ein so achtungs- und liebevolles Andenken in den Herzen seiner. Zöglinge gestiftet: seine reine Humanität und aufopfernde Pflichttreue. Er hatte ein hohes Maß von Achtung vor der Jugend und ließ ihr soviel Freiheit, als er irgend verantworten konnte. Entschiedene Ungezogenheit wurde in seiner Schule ebenso geahndet wie in anderen, aber einige Lehrer freilich ohne bei der Mehrzahl der Kollegen Anklang zu finden tadelten, daß die Zügel der Disciplin nicht scharf genug angezogen würden. Z. B. in den großen Pausen durften die Knaben auf dem Erholungsplak, der dicht an einem von zahlreichen Käufern und Verkäufern frequentierten Markte liegt, sich balgen und im Winter mit Schneeballen werfen, wobei bisweilen ein aufsichtführender Lehrer oder auch ein Vorübergehender getroffen wurde. Als einmal ein Lehrer von einer kleinen Prügelei Anzeige machte, sagte Schm.: Mein Gott, wissen Sie denn. nicht, daß Jungen miteinander balgen müssen?" Auch damit gab er Anstoß, daß er mehr, als meistens üblich, geneigt war, Klagen der Schüler über einen Lehrer aufzunehmen, unparteiisch zu prüfen und, wenn sie ihm begründet erschienen, ihnen offen Recht zu geben und dem Lehrer Mitteilung davon zu machen. Einen Lehrer, der einen Schüler geschlagen, warnte er: „Nehmen Sie sich in Acht; wenn eine Beschwerde bei mir eingeht, kann ich Sie nicht in Schuß nehmen." Einmal war ein Knabe, auf den der Verdacht gefallen, sich irgend ein kleines Wertstück eines andern heimlich zugeeignet zu haben, nach Schluß der Schule zurückbehalten, ihm die Taschen umgekehrt und sogar die Stiefel ausgezogen, doch das Vermißte nicht gefunden. Als deffen Pensionsvater sich darüber beschwerte, war Schm. sehr erregt und hielt dem Lehrer vor: „Wie kommen Sie

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