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gewidmet, wo sich so viele Umstände vereinigten, um einem Genie wie Sh.'s die reichste und glücklichste Entwickelung zu gewähren. Ebenso lebendig ist ein in warmen Farben entworfenes Bild von der wunderbaren Dichternatur seines Heros, wie es sich auf Grund eines liebevollen Studiums in ihm gestaltet hatte.

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1856 war in Brüssel ein Buch von Albert Lacroix erschienen, die,,Histoire de l'influence de Sh. sur le théâtre français", worin das Verdienst Voltaire's um die Einführung Sh.'s in Frankreich eine sehr eingehende Behandlung erfährt. Schm. nennt die Schrift eine reichhaltige, war aber überzeugt, daß Lacroir's darin ausgesprochene Auffassung eine unrichtige sei, und wünschte dies gründlich zu erweisen. Zu solchem Zwecke las er zunächst sämtliche 70 Bände der Gothaischen Ausgabe von V.'s Werken, für seinen Zweck brauchbares Material fand sich indeß, wie die reichlichen Citate ergeben, nur in 32 Bänden. 1864 erfolgte dann die Programmabhandlung V.'s Verdienste um die Einführung Sh.'s in Frankreich". Hier beleuchtet er die mehrfach wechselnden Phasen im Verhalten V.'s gegenüber Sh. Ein volles Verständnis für den englischen Dichter hat V. nie gehabt. Eine Zeit lang nennt er die Dramen „glänzende Ungeheuer“, dann findet er sich gemüßigt, lange Stellen, ohne die Quelle zu nennen, in seine eigenen Tragödien zu verpflanzen, und als die Franzosen ohne sein Zuthun an Sh. Gefallen zu finden begannen, war er über diesen Ungeschmack vor Wut außer sich und beklagte, daß er es gewesen, welcher ihnen „einige Perlen gezeigt, die er auf einem großen Misthaufen gefunden", 'ruft einmal sogar aus „ dieser Sh.! Er war doch nichts als ein garstiger Affe! (vilain singe)". Das Resultat der Untersuchung ist also, daß V. höchstens wider seine Absicht die Aufmerksamkeit der Franzosen auf Sh. hingelenkt habe.

Allmählich reifte in ihm der kühne Gedanke, ein absolut vollständiges Sh.-Lexikon zu unternehmen; denn er hatte die Ueberzeugung gewonnen, daß das Verständnis Sh.'s erhebliche Fortschritte nur dann machen würde, wenn man ein zuverlässiges Hilfsmittel besäße, den Dichter aus sich selbst zu erklären. Die mannigfachen und großen Schwierigkeiten, welche die Ausarbeitung eines solchen Lerikons bieten würde, sah er klar voraus und machte daher einem Freunde den Vorschlag, sich mit ihm in

die Arbeit zu teilen. Aber zum Glück für beide war dieser klug genug, im Bewußtsein seines Unvermögens den Antrag abzulehnen, und so nahm Schm. die kolossale Last ganz und gar auf die eigenen Schultern. Die Frage, ob er den Tert des Lerikons deutsch oder englisch schreiben solle, war bald entschieden. Er wählte das Schwerere, denn er war gewiß, daß die deutschen Sh.-Forscher durch die Sprache des Dichters an der Benußung des Lerikons nicht würden behindert werden, während den meisten englischen die Kenntnis des Deutschen abgehe.

9 Jahre hindurch, 1864-73, hat er mit dem beharrlichsten Fleiß an der gestellten Aufgabe gearbeitet. Gleichwohl fand er noch Zeit, sich an der neuen von der deutschen Sh.-Gesellschaft. veranstalteten Ausgabe der Schlegel-Tieckschen Ueberseßung (1867 -71) in hervorragendem Maße zu beteiligen. Von den 36 Dramen wurde die Bearbeitung des größten Teils; nämlich 22, in seine Hände gelegt. Michael Bernays sagt über sein Verfahren unter anderem: „Was er an diesen 22 Stücken leistete, mag allen zum Muster dienen, welche sich zur Verbesserung anerkannter Werke der Uebersehungskunst berufen fühlen. Sein Verfahren erscheint nicht minder behutsam als streng. Er verbessert nur da, wo Schlegel selbst hätte verbessern müssen, wenn dieser in den Vollbesiz der wissenschaftlichen Hilfsmittel gelangt wäre, die uns jetzt erreichbar sind."

Der erste Band des Lerikons erschien 1874, der zweite 1875 (Berlin, Georg Reimer London, Williams and Norgate). Es fehlte nicht an ein paar englischen Splitterrichtern, die an dem Werke mäkelten. Die Saturday Review sprach von des Verfassers pretensions und ein anderer Kritiker von seiner impudence, Engländer über Sh.schen Sprachgebrauch belehren zu wollen, und verwies ihn an sein washerwoman. Leider war Schm. nur allzu leicht geneigt solchen abfälligen Urteilen Recht zu geben. An seinen Freund Mr. Boyle schrieb er: „Englisch Geschriebenes zu veröffentlichen, ehe ich es einem geborenen Engländer zur Prüfung vorgelegt, davor habe ich eine wahre Heidenangst, namentlich nach den Erfahrungen, die ich mit meinem Lexikon gemacht, wo mir handgreifliche Sprachverstöße, die ich sonst meinen Schülern dick anstrich, erst auffielen, als ich sie gedruckt vor mir sah.“ Mit diesem Brief übersandte er dem Freunde seinen Entwurf zu

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den englischen Vorreden des zweiten Teils. Boyle fand 3 kleine Versehen gegen das klassische Englisch, schrieb ihm aber zugleich: Erlauben Sie mir zu bemerken, daß diese ebenso gut auch aus der Feder eines geborenen Engländers hätten kommen können. Sie werden mich hoffentlich nicht fähig glauben, Ihnen ein billiges Kompliment zu machen, wenn ich sage, daß Ihre Vorreden vollkommen englisch und in fließendem Stil geschrieben sind. Sie haben Ihr Ohr an der Quelle des reinsten Englisch gebildet, und wenn Sie etwas schreiben, was Ihnen die strengste Probe nicht zu bestehen scheint, seien Sie überzeugt, daß es kein erheblicher Fehler ist. Was jene kleinen Fehler im Lerikon betrifft, so möchte ich wohl das englische Buch sehn, in welchem nicht mehr und schlimmere Versehen vorkommen. Mein Freund, Mr. Goodlet, der des Deutschen nicht mächtig ist, muß ein noch empfindlicheres Ohr für dergleichen haben, aber er sagt, daß ihm in der Sprache des Lerikons nichts aufgestoßen sei, was er für unenglisch halte."

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Mit Zittern und Zageu erwartete Schm. die Aufnahme, welche sein Werk finden würde, und war hocherfreut, als ihm bald in den Urteilen darüber ein voller Chor bewundernder Anerkennung entgegen tönte. Als er den ersten Band an Mar Müller in London übersandte, schrieb ihm dieser: „In England findet Ihr Werk allgemeine Anerkennung, obgleich man sich doch im Stillen schämt, daß es nicht von einem Engländer gemacht ist.“ Dieses sehr verzeihliche Gefühl leistet um so mehr Bürgschaft für die aufrichtige Wärme, mit welcher das Buch in England empfangen wurde. Auffallend ist in den englischen Urteilen die mehrmals ausgesprochene Meinung, daß sich in der Heimat des Dichters für ein Werk wie dieses Sh.-Lexikon schwerlich ein Buchhändler gefunden hätte, der geneigt gewesen wäre es in Verlag zu nehmen.

Unter den zahlreichen deutschen und englischen Beurteilungen, die uns vorliegen, trifft man oft auf solche, welche die höchste Bewunderung für das Werk und seinen Verfasser kundgeben. Mehrfach wird es ein xτua ès deí, ein opus aere perennius genannt, was W. Herzberg ausführlicher in einer Briefstelle ausspricht: In Bezug auf Deine Meisterarbeit kannst Du troy aller Mängel, die Du darin zu finden meinst, ganz ruhig sein. Es wird Dich durch die Jahrhunderte tragen und keiner macht Dir's nach.“

Ges. Abh. v. Dr. Aler. Schmidt.

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Zwei gelehrte Körperschaften bezeugten Schm. gleichfalls ihre Hochachtung. Die philosophische Fakultät der königsberger Universität bewies ihm ihre Anerkennung, indem sie in Ermangelung anderer Zeichen derselben ihm ihre Glückwünsche zur Vollendung seines Werks in einer Adresse darbrachte, es als „ein außergewöhnliches Ereignis" rühmte und dies des weiteren in folgender Weise motivierte: „Für das Verständnis und die Erforschung eines der größten Dichter aller Zeiten haben Sie durch Ihr umfangreiches Werk, welches nur durch die aufopferndste Hingabe, raftlosen und unermüdlichen Fleiß und vor allem umfassende Sachkenntnis durchgeführt werden konnte, endlich eine bisher noch fehlende zuverlässige Basis geschaffen und damit zugleich der jungen zum Teil noch auf unsicheren Grundlagen fußenden Wissenschaft des englischen Sprachstudiums den wichtigsten Dienst ge= leistet."

Bald nach dieser Anerkennung in seiner Heimat erhielt er eine ähnliche aus weiter Ferne. Die Harvard University in Cambridge (Massachusetts U. S.) verlieh ihm das Diplom eines Ehrendoktors der Jurisprudenz (Doctor of Laws). Das Diplom schließt mit den Worten: The University desired to acknowledge that all lovers of Shakespeare are under great obligations to you. Auch die Poesie brachte eine liebliche Spende zu Schm.'s Ehren. Der nicht nur in seiner Muttersprache vielgewandte Felix Dahn widmete ihm folgende Zeilen:

The spirit of great William spake to me:
"My messenger and Herald thou shalt be!
Go to the man, who of you German all
Did of my language every whispered call
Most deeply feel, most clearly understand:
I greet him, tell him, from Olympian land.
He did not lose the labour of his love
Who to interpret all my beauty strove.
Measure for measure I am wont to give,
Immortal with myself his name shall live."

Schm. antwortete darauf:

Stimmt deine Leier auch zu jedem Klang,

An deutschen Sänger ziemt ein deutscher Dank!
Daß du mit Geistern, die ich still verehrt,
Von Angesicht zu Angesicht verkehrt,

Ich wußt es wohl, und daß sie grade dich
Zum Herold wählten, nimmer wundert's mich.
Doch volle Wahrheit ziemt dem Götterboten;
Wohl anders war das Wort des großen Toten;
Er sprach vermutlich: „Sieh im Schweiß den Armen;
Wär' ich ein Stein, es müßte mich erbarmen.
An meinem Bild, von Zeitenstaub beschmußt,
Hat er gewischt, sich müd' und matt geput
Nun liegt er da und kann nicht von der Stelle.
Auf, spend' ihm einen Trank aus unsrer Quelle!
Ein Tropfen schon, von dir und mir geweiht,
Wieg' ihn in Träume der Vergangenheit;

Und all sein schwer Gerät, dort auf den Brettern fest,

Ein Hauch aus deinem Mund trag' es nach Ost und West."

Hier mag auch ein wunderliches Spiel des Zufalls erwähnt werden. Eine Nichte von Schm. war 1885 mit einer befreundeten Familie zur Sommerfrische auf der schottischen Insel Arran. Dort wanderte sie täglich mit Malkasten und Staffelei hinaus, um Studien nach der Natur zu machen. Eines Tages tritt ein junger Herr höflich zu ihr heran, nennt seinen Namen und seine Heimat, die Insel Ceylon, und bittet um die Erlaubnis, ihrer Arbeit zusehn zu dürfen, da er für die Malerei großes Interesse habe. Er sagte: You are not from here? Sie antwortete: „Ich bin eine Deutsche und heiße Schmidt." Zu ihrer Verwunderung buchstabierte er den Namen ganz richtig mit dt (im Englischen heißt der entsprechende Name bekanntlich Smith), so daß sie fragte: „Woher kennen sie den Namen?" Nun, erwiderte er, der Name, den ich in der Gelehrtenwelt am meisten verehre, Dr. Alexander Schmidt in Königsberg, schreibt sich so." Sie wurde ganz rot vor Freude und rief aus: „Das ist ja mein Onkel!" Das Gespräch wurde nun lebhafter. Er erzählte, daß ihres Onkels Lerikon in Cambridge, wo er studiere, als Preis für Fleiß und Strebsamkeit erwählt werde, und er sei überzeugt, daß kein Engländer im stande gewesen wäre, ein solches Werk zu schreiben.

Schon bevor Schm.'s Sammlungen für das Lerikon vollständig vorlagen, hatte er bei der Bearbeitung der Sh.-Uebersetzung Gelegenheit, sich von der Ergiebigkeit seines Unternehmens zu überzeugen. So manche Richtigstellung der neuen deutschen Sh.-Ueberseßung beruht auf Vergleichung der Stellen, in welcher ein bisher

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