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Wir sind allerdings im Recht, wenn wir von puritanischer Be= schränktheit seines Wesens sprechen und dagegen protestieren, daß er moralische Gesichtspunkte zur Richtschnur nimmt, wo sie nicht hingehören. Zeigte er sich doch sogar unfähig, den hohen Seelenadel anzuerkennen, welchen Shakspeare auch in der heitersten Ungebundenheit seiner dichterischen Laune zeigt! Er läßt sein Weltfind im Allegro sich an Shakspeare erfreuen, dem Kinde der Phantasie, dem Sänger der naiven wilden Waldmelodien, aber im Penseroso wünscht er die Tragödie von Theben zu sehn und von den Pelopiden, und möchte Musaeus und Orpheus, den Gründer der Mysterien, aus dem Grabe wecken können, um die Lieder zu hören, welche auf Pluto's Wange eiserne Thränen herabrinnen ließen. Wenn wir Milton aber hier gegen Shakspeare im Nachteil sehen, so wollen wir nicht vergessen, daß Shakspeare Dichter, ganz und ausschließlich Dichter, Milton dagegen in erster Linie ein Held und Streiter für die größte Sache der damaligen Menschheit war, und daß jede Parteinahme die Objectivität des Urteils ausschließt. Wir wollen auch nicht vergessen, daß Shakspeare für die verfolgten und gehezten Puritaner und Psalmensinger, welche sein ästhetisches Gefühl beleidigten, nichts hat als Verachtung und Spott, und daß er beim Anblick der menschlichen Schlechtig= feiten feine kräftigere Regung empfindet als Sehnsucht nach dem Tode:

Müde von alle diesem (ruft er im 66. Sonett) wünsch ich Tod:
Verdienst zum Bettler sehn geboren werden,

Und hohle Dürftigkeit in Grün und Rot,
Und wie sich reinste Treu entfärbt auf Erden,
Und goldne Ehren auf des Knechtes Haupt,
Und jungfräuliche Unschuld frech geschändet,
Und Tugend schändlich ihres Lohns beraubt,
Und Kraft an lahmes Regiment verschwendet,
Und Kunst im Zungenbande der Gewalt,
Und Schulen-Unsinn, der Vernunft entgeistert,
Und schlichte Wahrheit, die man Einfalt schalt,
Und wie vom Bösen Gutes wird gemeistert:
Müde von alle dem, wär' Scheiden süß,
Nur daß ich sterbend meine Liebe ließ.

Dergestalt schloß Shakspeare, ähnlich wie unser größter Dichter, vor den Kämpfen der Zeit sein Auge, während Milton erst

Gej. Abh. v. Dr. Alex. Schmidt.

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in stiller Zurückgezogenheit alle seine Kräfte für die bevorstehende Entscheidung sammelte, und als dann die Stunde reif war, dem Dichtergotte gleich, welcher nicht nur die Either, sondern auch Köcher und Pfeile führt, ohne Zaudern und Bedenken mitten in den Kampfplatz sprang, und in den Vorderreihen focht, nicht ermattend, keine Hoffnung aufgebend, kein Zugeständnis machend, keinen Vertrag schließend, als seine Feinde zu triumphieren schienen, und ihm in Alter, Armut, Blindheit, Verkennung am Schluß des Lebens kein andrer persönlicher Trost blieb als der eine, daß das Kreuz um Gottes und der Wahrheit willen getragen die höchste Krone des irdischen Lebens sei.

Ich hoffe durch diese Vorbemerkungen, welche zur Gewinnung des richtigen Standpunkts unerläßlich schienen, Ihre Geduld auf keine zu harte Probe gestellt zu haben. In den beiden Dramen Miltons, wie schon bemerkt, tritt, in dem einen die moralische, in dem andern die politische Tendenz des Dichters am deutlichsten hervor, und mit Freuden trete ich diesem selbst nunmehr das Wort ab. Comus, ein Maskenspiel (a mask), ist der Titel des ersten, 1634 von dem 26jährigen Dichter verfaßt und zu LudlowCastle, dem Wohnsitz des Grafen von Bridgewater und Lord Präsidenten von Wales, von den Kindern desselben aufgeführt. Man hat dies kleine Drama das Meisterstück in seiner Gattung genannt, etwa mit demselben Recht wie man den Don Quixote und die Hamiltonschen Contes die Meisterstücke des Ritterromans und Märchens genannt hat. Denn in Wahrheit hat der Comus eine polemische Absicht; er ist ein Protest gegen den Ton, welcher bei den unmittelbaren Nachfolgern Shakspeares die Bühne zu beherrschen begann. Stücke wie Ben Jonson's Volpone und Epicoene, oder Massingers und Fletchers Jungfrauentragödie, oder Thierry und Theodoret, in denen geradezu das Unanständige und Obscöne mit Vorliebe ausgemalt wurde, rechtfertigten nur zu sehr den Zorn, welchen die Puritaner gegen das ganze Theaterwesen hegten und zur Zeit ihrer Herrschaft ausließen. Speciell richtet sich der Comus gegen eine Art von lyrisch-dramatischen Spielen, welche damals bei Hofe sehr beliebt waren und besonders von Ben Jonson, dem Hofdramaturgen und poeta laureatus, auf Bestellung geliefert wurden. Diese sogenannten Masken, in denen Götter, Nymphen, Satyrn, Flüsse, Städte, Mond, Sonne und

Sterne, allerhand allegorische Figuren, und namentlich auch Tiere, dargestellt durch Menschen mit den entsprechenden Tierköpfen, unter großem scenischem Aufwand aufzutreten pflegten, und welche keine andre Bestimmung hatten, als frohe Ereignisse in der königlichen Familie zu verherrlichen oder sonst den höchsten Herrschaften des Landes Vergnügen zu bereiten, geben uns einen sehr niedrigen Begriff von dem Anstandsgefühl und der Sittlichkeit am Hofe Jacobs und Carls I. Ben Jonson hat einzelnen seiner Masken das Verzeichnis der Personen beigedruckt, welche bei der Aufführung mitwirkten; wir finden darunter die vornehmsten Damen, die Königin selbst miteingerechnet, Reden und Lieder vortragend, welche sich jeder Mitteilung entziehen. Im besten Fall waren die Maskenspiele platt, nichtig und ekelhaft schmeichlerisch, in der Regel frivol und sinnlich, nicht selten noch schlimmer als das. Milton nun dichtete das seinige, in welchem man zahlreich die bestimmtesten Beziehungen auf die Ben Jonsonschen findet, zur Verherrlichung der Tugend und Unschuld, und zur Beschämung jener Poesie, welche die Sinnenlust als höchstes Glück und echte Lebensweisheit pries, und gab ihm in offenbar satirischer Absicht den Titel Comus, als ob es bestimmt wäre, den Sensualismus Ben Jonsons und seiner Nachtreter noch zu überbieten. Wahrscheinlich lehnte sich die Dichtung an bestimmte Ereignisse an, über die wir keine Nachrichten haben; die Annahme, daß die Kinder des Grafen von Bridgewater, für welche die Hauptrollen geschrieben waren, in den höchsten Gesellschaftskreisen der Hauptstadt eigentümliche Erfahrungen gemacht hatten, wirft ein so helles Licht auf die Einkleidung des Plans, daß sie fast unabweislich ist. Das Stück machte zu seiner Zeit den tiefsten Eindruck und circulierte Jahre lang in unzähligen Abschriften, bis es, nicht auf des Dichters, sondern seines Freundes, des Musikers Lawes Betrieb, 1637 anonym im Druck erschien. Die Kritik der folgenden Jahrhunderte, welche nicht mehr den moralischen, sondern den ästhetischen Maßstab anlegte, hat gegen die dramatische Anlage die begründetsten Ausstellungen gemacht; ich bin aber so wenig gesonnen, diese zu wiederholen, daß ich gerade die am härtesten getadelten Stellen ihnen vollständig vorzulegen gedenke, weil es nach meiner Meinung diejenigen sind, um derentwillen Milton das Ganze schrieb.

Die Scene ist ein wilder Wald. Ein schüßender Genius schwebt bei der Eröffnung herab und spricht folgenden Prolog:

Vor Jovis Sternenschwelle, in der Sphäre,
Wo jene unvergänglichen Gestalten
Der lichten Aethergeister in dem heitern

Und stillen Luftkreis wohnen, ist mein Sig,

Hoch über Qualm und Lärm des dunkeln Punkts,
Den man die Erde nennt, und wo, gezwängt
In eine Hürde, mit gemeinem Sinn,

Der Mensch ein schwach und fiebrisch Dasein nährt,
Uneingedenk der Krone, die die Tugend,
Auf heil'gen Sigen, zwischen Götterthronen,
Im Tode ihren treuen Dienern reicht.
Doch ein'ge streben auch auf grader Bahn,
Den gold'nen Schlüssel mit der reinen Hand
Zu faffen, der die Ewigkeit erschließt:

An diese geht mein Auftrag; wären sie nicht,
Nie mit dem Dunst des sünd-entweihten Stoffs
Verpestet' ich mein rein ambrosisch Kleid.

Vernehmt mein Amt. Neptun erhielt zum Reich
Nicht nur die Salzflut und was ebbend strömt;
Auch durch das Loos des hoh'n und niedern Zeus
Der Inseln Thron, der seeumgürteten,
Die, reichen bunten Edelsteinen gleich,
Der Tiefe ungeschmückten Busen zieren;
Und sie verleiht er seinerseits an seine
Vasallengötter, die er ehren will;
Und läßt sie prangen in den Saphirkronen,
Den kleinen Dreizack in der Hand; doch dies,
Das größte und das beste Eiland, hat er
Verteilt an der blauhaar'gen Götter vier;
Und dieser Landstrich, wo die Sonne sinkt,
Ward eines edlen Fürsten Treu' und Kraft
Vertraut, um in der Ehrfurcht sanftem Zwang
Ein altes, waffenstolzes Volk zu leiten.
Und hierher ziehn, des Vaters neuen Glanz
Und Thron zu zieren, seine schönen Kinder,
Genährt mit Fürstenwissen; doch ihr Weg
Führt durch die wirren Pfade dieses Waldes,
Von dessen Stirn das Grauen schattenhaft
Auf hilflos Wandernde herunternickt.
Leicht käm' ihr zartes Alter in Gefahr;
Drum ward auf Jovis schnell Geheiß ich her

Gesandt, in Schuß und Obhut sie zu nehmen;
Und hört warum, denn melden will ich euch,
Was keiner noch gesungen und gesagt
In alt und neuer Zeit, in Laub' und Halle.

Der des mißbrauchten Weines süßes Gift
Zuerst aus Purpurtrauben preßte, Bacchus,
Fuhr, als die Tuskerschiffer er verwandelt,
Tyrrheniens Küst' entlang, der Winde Spiel,
Und trieb an Circes Strand wer kennt die Tochter
Des Helios nicht? Wer ihren Zaubertrank
Gekostet, der verlor den graden Wuchs

Und sank zu Boden als ein wühlend Schwein.
Die Nymphe sah sein traubig Lockenhaar
Im Epheukranz, sah seine Jugendlust,

Und eh' er schied, erhielt sie einen Sohn,
Dem Vater ähnlich, doch der Mutter mehr;
Sie zog ihn darum auf und nannt' ihn Comus.
Der, lodernd in gereifter Jugendkraft,
Durchstrich der Celten und Jberer Auen,
Bis er in diesem Wald sich niederließ,
Wo er im dichten Obdach schwarzer Schatten
Die mächt'ge Kunst der Mutter übertrifft.
Den müden Wandrern beut er seinen Saft,
Hell in krystallnem Glase perlend, dar,
Des Phöbus Glut zu löschen; wer ihn trinkt
(Wie meist geschieht in blinder Gier des Dursts)
Dem wandelt bald des Trankes Wirksamkeit
Der Götter Ebenbild, sein menschlich Antlig,
In tierisch rohe Form, in Wolf und Bär,
In Tiger oder Schwein und bärt'ge Ziege.
Die andern Teile bleiben wie vorher.
Und so vollkommen ist ihr Elend, daß
Sie es nicht merken, wie sie schnöd' entstellt,
Sich gar verschönert dünken, und der Freund'
Und Heimat ungedenk, mit Wohlgefühl
Sich wälzen in dem Schlamm der Sinnlichkeit.
Drum wenn ein Liebling des erhabnen Zeus
Durch diese unheilvolle Waldung zieht,

Schnell wie der Funke fliegt des Sternenblicks,
Schieß' ich vom Himmel ihm zum Schuhgeleit;
Und so auch jezt. Doch erst mein Himmelskleid,
An Iris Stuhl gewoben, leg' ich ab,
Und wähle eines Schäfers Tracht und Bild,

Der diesem Haus gehört, und welcher oft

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