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mer geschaffen, nur Geschmack an Büchern hatte und seit seiner frühesten Jugend sein ganzes Vergnügen in der Betrachtung von Druckschriften fand. Er malte die Buchstaben darin nach und lernte so schreiben. Er verbrachte seine ganze Jugend mit ihnen allein und erwies sich als ein Versmacher, sobald er sprechen konnte. Im Alter von zwölf Jahren hatte er eine Tragödie nach der Iliade und eine Ode an die Einsamkeit verfaßt. Zwischen seinem dreizehnten und fünfzehnten Jahre schrieb er ein großes episches Gedicht von viertausend Versen, genannt Alcandre. Acht Jahre lang in einem kleinen Hause des Windsor Forest eingeschlossen, las er alle die besten Kritiker, fast alle berühmten englischen, lateinischen, französischen Dichter, und einige der bedeutenderen im Originale, Tasso und Ariosto in Uebersetzungen“, mit solcher Beharrlichkeit, daß er beinahe daran gestorben wäre. Er suchte nicht Leidenschaften in ihnen, er suchte Stil; nie hat es einen ergebeneren Bewunderer, nie hat es einen frühreiferen Meister der Form gegeben. Sein Geschmack brach bereits durch: unter allen englischen Dichtern war Dryden, der am wenigsten begeisterte und der am meisten classische, sein Lieblingsdichter. Er sah seinen Weg vor sich; ein Kenner, M. Walsh *), „ermuthigte ihn, indem er ihm sagte, daß noch ein Weg offen stände, sich auszuzeichnen; denn wenn auch die Engländer mehrere große Dichter hätten, so hätten sie doch noch keinen großen Dichter gehabt, der correct wäre; und er forderte ihn auf, die Correctheit zu seinem Studium und seinem Ziele zu machen". Er folgte diesem Rath und übte seine Hand durch Uebersetzungen des Ovid und des Statius und durch Umarbeitungen des alten Chaucer. Er machte sich alle poetischen Feinheiten und eleganten Wendungen zu eigen, er speicherte sie in seinem Gedächtniß auf; er legte in seinem Kopfe das vollständige Lexikon aller glücklichen Epitheta, aller geistreichen Ausdrücke, aller flangvollen Rhythmen an, durch welche man einer Idee Erhabenheit, Praecision und Glanz verleihen kann. Er glich jenen

*) Mr Walsh_used to encourage me much, and used to tell me, that there was one left way of excelling: for though we had several great poets, we never had any one great poet that was correct; and desired me to make that my study and my aim.

kleinen musikalischen Wunderkindern, die, am Klavier erzogen, ganz plötzlich eine wunderbare Fingergewandtheit erlangen, rauschende Tonleitern, glänzende Triller vortragen und Octavensprünge machen mit einer Geläufigkeit und Richtigkeit, die die berühmtesten Künstler von der Bühne vertreiben. Mit siebzehn Jahren lernte er den alten, damals siebzigjährigen Wycherly kennen und unternahm es auf seine Bitte, ihm seine Gedichte zu corrigiren; und er corrigirte sie so gut, daß jener zugleich entzückt und gekränkt war.*) Pope strich durch, fügte hinzu, arbeitete um, sprach offen und beschnitt tüchtig. Der Verfasser bewunderte im Stillen mit Widerstreben die Verbesserungen und suchte öffentlich ihren Werth herunterzusehen, bis er endlich in seiner verletzten Eitelkeit, die es nicht ertragen konnte, einem jungen Menschen soviel zu verdanken und einen Meister in einem Schüler zu finden, einen Verkehr abbrach, bei dem er zuviel profitirte und litt. Der Schüler hatte gleich beim ersten Auftreten die Lehrer in der Kunst weit übertroffen. Mit sechszehn Jahren gaben seine Pastorals Zeugniß von einer Festigkeit der Hand, die Niemand, selbst Dryden nicht, besessen hatte. Wenn man diese so gewählten Worte sah, diesen köstlichen Rhythmus melodischer Silben, dieses feine Verständniß der Caesuren und Versübertragungen, diesen so fließenden, so reinen Stil, diese anmuthigen Bilder, welche die Diktion noch anmuthiger machte, und diese ganze künstliche und bunte Guirlande von Blumen, die sich ländliche nannten, so dachte man an die ersten Eklogen Virgils. Mr. Walsh erflärte, es wäre durchaus keine Schmeichelei zu sagen, daß Virgil in diesem Alter nichts ebenso Vortreffliches geschrieben habe". Als sie später in einem Bande erschienen**), war das Publikum geblendet. „Ihr habt den Kritikern mißfallen“, schrieb Wycherlh, „weil Ihr ihnen zu gut gefielet." In demselben Jahre vollendete der einundzwanzigjährige Dichter seinen Essay on Criticism, eine Art ars poetica; ein solches Gedicht verfaßt man am Ende seiner Laufbahn, wenn man alle Behandlungsarten versucht hat und in der Kritik ergraut ist; und in einem solchen Gegenstande, dessen Behandlung die Erfah=

*) cf. Seite 35.

**) 1709.

rung eines ganzen literarischen Lebens fordert, erwies er sich mit einem Schlage so reif als Boileau.

Dieser vollendete Musiker, der zuerst mit einer Harmonielehre auftritt, was wird er mit seinem unvergleichlichen Mechanismus und seinem gelehrten Wissen anfangen? Es ist außerdem gut, zu fühlen und zu denken, bevor man schreibt; eine volle Quelle lebendiger Ideen und kühner Leidenschaften ist nöthig, um einen wahren Dichter zu erzeugen; bei ihm aber finden wir nach näherer Betrachtung, daß Alles, selbst seine Person, kleinlich oder künstlich ist; er ist ein Knirps, vier Fuß hoch, krumm, buckelig, mager, gebrechlich, und hat im reiferen Alter scheinbar nicht mehr Kraft genug zu leben. Er kann nicht selbst aufstehen; eine Frau kleidet ihn an; man zieht ihm, drei Paar Strümpfe übereinander, so dünn sind seine Beine; dann schnürt man ihm die Taille in ein Corset von steifer Leinwand ein, damit er sich gerade halten kann, und darüber läßt man ihn eine Weste von Flanell_anlegen;*) dann kommt eine Art Pelzwamms, denn er zittert leicht vor Kälte und endlich ein Hemd von sehr warmer, dicker Leinwand mit feinen Aermeln. Ueber dem Allen trägt er einen schwarzen Anzug, eine Knotenperrücke**), einen kleinen Degen; also ausgerüstet geht er, seinen Play an der Tafel seines großen Freundes, des Lord Oxford, einzunehmen. Er ist so klein, daß er auf einen besonderen, höheren Stuhl gesetzt werden muß; er ist so kahl, daß er, wenn es keine Gesellschaft gibt, seinen Kopf mit einem Sammtkäppchen bedeckt; er ist so krittelich und anspruchsvoll, daß die Lakeien es vermeiden, seine Aufträge zu besorgen, und der Lord mehrere derselben fortschicken mußte, die sich ihn zu bedienen weigerten. Endlich beginnt das Diner. Er ißt zu viel, wie ein verzogenes Kind; er verlangt schwere, gewürzte Speisen und verdirbt sich den Magen. Wenn man ihm Liköre anbietet, so wird er böse, trinkt sie aber doch. Er hat alle Gelüste und Launen eines alten Kindes, eines alten Kranken, eines alten Schriftstellers und eines alten Junggesellen. Man kann sich wohl denken, daß er auch eigensinnig und reizbar ist. Er verließ mehreremal, ohne ein Wort zu sagen, und ohne daß man wußte warum, das Haus des Lord Ox*) vergl. Johnson, Live of the most eminent English Poets.

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ford, und man mußte Boten auf Boten schicken, um ihn zurückzubringen. Wenn heute Lady Mary Wortley, jeine frühere poetische Göttin, sich unglücklicherweise mit bei Tafel befindet, so wird man nicht in Ruhe speisen können; sie werden nicht ermangeln, sich zu widersprechen, sich einander zu reizen, sich zu zanken, und eins von Beiden wird das Zimmer verlassen. Man holt ihn zurück, und er kommt wieder, hat aber seine Manien nicht draußen gelassen. Er ist ver= schmitt, boshaft, wie eine nervöse Mißgeburt, die er ist; wenn er etwas wünscht, so wagt er nicht, es rundweg zu verlangen; mit Andeutungen und stilistischen Kunstgriffen veranlaßt er die Leute, es zu erwähnen, es kommen zu lassen, worauf er Gebrauch davon macht. Auf diese Weise erhielt er von Lord Orrerh einen Schirm. „Er trank kaum eine Tasse Thee ohne einen Hintergedanken." Lady Bolingbroke pflegte zu sagen, daß er den Diplomaten um Kohl und Rüben spielte.

Sein übriges Leben ist nicht viel edler. Er verfaßt Schmähschriften gegen den Herzog von Chandos, Aaron Hill, Lady Mary Wortley, und führt dann eine lügnerische oder zweideutige Sprache, um sie abzuläugnen. Er hat einen häßlichen Gefallen an arglistigen Ränken und ersinnt einen bösen Streich gegen Lord Bolingbroke, seinen größten Freund. Er ist niemals offen, er ist stets mit einer Rolle be= schäftigt; er spielt den Blasirten, den indifferenten, großen Künstler, den Verächter der Vornehmen, der Könige, ja selbst der Poesie. In Wahrheit denkt er nur an seine Phrasen, an seinen schriftstellerischen Ruhm und bei einer kleinen Aufmerksamkeit des Prinzen von Wales schmilzt sein ganzer Stoicismus. Ich habe soeben seine Correspondenz gelesen, es gibt da vielleicht nicht zehn wahre Briefe; er verleugnet selbst in seinen Herzensergießungen den Schriftsteller nicht; seine vertraulichen Mittheilungen sind streng abgezirkelte rhetorische Phrasen, und wenn er mit einem Freunde plaudert, so denkt er stets an den Drucker, der seine Ergüsse dem Publikum vor Augen stellen wird. Gerade durch übertriebene Ansprüche wird er ungeschickt und demaskirt sich. Einst fand ihn Richardson mit der Lektüre eines Pamphletes beschäftigt, das Cibber gegen ihn verfaßt hatte. „Diese Dinge da“, sagte Pope, „sind meine Belustigung;" und während er las, sah man seine Züge in heftiger Pein krampfhaft verzerrt. Gott bewahre mich", sagte Richard

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son, „vor einer solchen Belustigung." Kurz, seine große Triebfeder ist die literarische Eitelkeit; er will bewundert werden, nichts weiter; sein Leben ist das ciner Crquette, die sich gefallsüchtig bespiegelt, sich schminkt, sich ziert, nach Complimenten hascht und dennoch erklärt, daß die Complimente sie langweilen, daß die Schminke beschmußt und daß sie Ziererei verabscheut. Pope hat keinen Schwung, nichts Natürliches noch Männliches; er hat nicht mehr Ideen als Leidenschaften, ich meine solche Ideen, die man sich gedrungen fühlt zu schreiben und für welche man die Worte vergißt. Die religiösen Controversen und die Parteistreitigkeiten umtönen ihn; er meidet sie sorgfältig; mitten in allen diesen Kämpfen ist seine Hauptsorge, sein Schreibzeug zu verwahren; er ist ein lauer Katholik*), fast ein Deist, der nicht recht weiß, was Deismus ist; in diesem Punkte entlehnt er von Bolingbroke Ideen, deren Bedeutung er nicht einsieht, die ihm aber passend erscheinen in Verse gesezt zu werden. Er sagt in einem Briefe an Atterbury:

„Ich hoffe, daß alle Kirchen und Regierungen insoweit von Gott sind, als sie richtig verstanden und richtig verwaltet werden; und wenn sie irren oder vielleicht Unrecht haben, so überlasse ich es Gott allein, sie zu verbessern und zu reformiren. In meiner Politik habe ich keinen anderen Gedanken, als den Frieden meines Lebens zu wahren, welches auch die Regierung sei, unter der ich lebe; und in meiner Religion suche ich mir nur den Frieden meines Gewissens zu erhalten, welches auch die Kirche sei, der ich angehöre.*)

Solche Ueberzeugungen beunruhigen einen Menschen nicht. Er hat in Wirklichkeit nicht geschrieben, weil er dachte, sondern er hat gedacht, um zu schreiben; das geschwärzte Papier und das Aufsehen, das man so in der Welt erregt, das war sein Idol; wenn er Verse machte, so geschah es eben nur, um Verse zu machen.

Das ist die beste Schule, um tadellose Verse zu schreiben. Pope

*) catholique déteint.

**) In my politics, I think no further than how to preserve the peace of my life, in any government under which I live; nor in my religion, than to preserve the peace of my conscience in any church with which I communicate. I hope all churches and governments are so far of God as they are rightly understood and rightly administered; and where they err or may be wrong, I leave it to God alone to mend and reform them. (Brief an Atterbury, 1717.)

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